Sind Institutionen überholt?
Herausforderungen der Deinstitutionalisierung
Sandro Cattacin, Dagmar Domenig, Emilie Rosenstein, Urs Schäfer
In den 1960er Jahren führte die von Franco Basaglia in Triest begründete, antipsychiatrische Bewegung zur Auflösung der Psychiatrien in Italien. Auch in der Schweiz kam es in der Folge zur teilweisen Auflösung der psychiatrischen Institutionen für Menschen mit einer chronischen psychischen Beeinträchtigung. Mit der 2014 durch die Schweiz ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) wird derzeit die umfassende Deinstitutionalisierung von allen Wohn- und Arbeitsangeboten für Menschen mit einer Beeinträchtigung debattiert. Im Vordergrund steht der Artikel 19 der UN-BRK, der ein Recht auf «unabhängige Lebensführung» postuliert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Menschen mit Behinderungen allein gelassen werden sollen; im Gegenteil: Sie sollen sichtbarer Teil der Gesellschaft werden und sich an gesellschaftlichen Dynamiken beteiligen können. Die Deinstitutionalisierung ist deshalb auch eine demokratische Herausforderung, die eine Antwort vieler spezialisierter Dienstleistender, von lokalen und städtischen Behörden, aber auch von allen Menschen abverlangt, die dank der angestrebten Deinstitutionalisierung lernen, mit Behinderungen umzugehen und zu leben und diese auch für sich selbst zu akzeptieren.