Sippenhaft
Nachrichten und Botschaften der Familie in der Gestapo-Haft nach der Hinrichtung von Hans und Sophie Scholl
Inge Aicher-Scholl
Am 22. Februar 1943 wurden die Geschwister Hans und Sophie Scholl in München zum Tod verurteilt und hingerichtet.
Die Eltern und die beiden Schwestern Inge und Elisabeth wurden wenige Tage später verhaftet; mehrere Monate verbrachten sie, zum Teil in Einzelzellen, im Gefängnis in Ulm. Der Vater wurde bis zum Dezember 1943 dort festgehalten; dann kam er aufgrund einer Verurteilung wegen »Rundfunkverbrechens« – also des Abhörens ausländischer Sender – in ein Zuchthaus. Vom Ulmer Gefängnis aus durfte er noch seine Arbeit als Steuerberater weiterführen; mit den Akten, die ihm aus seiner Kanzlei gebracht wurden, konnte die Familie heimlich Nachrichten und Briefe austauschen. Viele dieser Kassiber sind erhalten geblieben. Inge Aicher-Scholl hat eine Auswahl daraus zusammengestellt, mit Erläuterungen versehen und aus eigenen Erinnerungen ergänzt.
Die Situation, in der sich die Familie befand, teilt sich in diesen kleinen, eng beschriebenen Zetteln ganz unmittelbar mit: Beklemmende Gefängnisatmosphäre, Ungewißheit über das weitere Schicksal, Angst, daß die Wohnung gekündigt und das Mobiliar auf die Straße gestellt werden könnte, Anfeindungen, denen Elisabeth Scholl nach ihrer vorzeitigen Entlassung in der Stadt ausgesetzt war, Sorge um den jüngeren Sohn Werner, der in Rußland im Fronteinsatz stand, und über allem unendliche Trauer um Hans und Sophie.
(Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)