Soziologische Aspekte der Entstehung und des Verlaufs der koronaren Herzkrankheit
Soziale Ungleichverteilung der Erkrankung und chronische Distress-Erfahrungen im Erwerbsleben
Reiner Regulies, Johannes Siegrist
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit ausgewählten soziologischen Aspekten der koronaren Herzkrankheit (KHK). Zum einen wird untersucht, ob Angehörige unterer sozialer Schichten überproportional häufig erkranken und welche Mechanismen hierfür verantwortlich sein könnten. Des weiteren wird der Frage nachgegangen, ob spezifische sozio-emotionale Belastungskonstellationen am Arbeitsplatz das Risiko für Koronarerkrankungen erhöhen. Die Analyse der vorliegenden internationalen Forschungsliteratur zeigt einen eindeutigen graduellen Zusammenhang zwischen sinkendem sozialökonomischen Status und ansteigendem koronarem Risiko, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Auch hinsichtlich chronischer emotionaler Distress-Erfahrungen am Arbeitsplatz konnte in der Mehrzahl der untersuchten Kohortenstudien ein Zusammenhang mit neu aufgetretenen Koronarerkrankungen gezeigt werden, wenngleich die Literatur hier weniger kohärent und die Forschungsbefunde umstrittener sind. Die Ergebnisse der Literaturanalyse unterstreichen die Bedeutung der sozialen Lebensverhältnisse für die Koronargesundheit, weisen aber auch auf die noch bestehenden Wissensdefizite hinsichtlich des Zusammenwirkens sozialer, psychischer und physiologischer Prozesse hin. Psychokardiologie, oder besser gesagt, Soziopsychokardiologie, bietet, wenn sie sich als transdisziplinäre Wissenschaft versteht, die Chance der Integration biomedizinischer, psychologischer und soziologischer Erkenntnisse und damit eines besseren Verständnis der Entstehung und des Verlaufs der KHK.