Die Codierung des Körpers
Essstörungen - Anorexia nervosa - im soziokulturellen Kontext der modernen Wohlstandsgesellschaft
Horst Baier, Nicola I Lausus, Erhard R Wiehn
Magersucht, auch oft etikettiert als moderne Frauenkrankheit, ist mittlerweile zu einem öffentlich diskutierten Thema geworden. Die zunehmende Anzahl statistisch erfasster Betroffener, meist junger Frauen, unterstützt die Annahme, dass die aktuellen Gesellschaftsstrukturen im allgemeinen und die vorherrschenden kulturellen Normen bezüglich der Rolle der Frau im besonderen wesentliche Einflussfaktoren für die Ausprägung von Essstörungen sind.
Obwohl wir die Zeiten emanzipatorischen Umbruchs lange hinter uns gelassen haben, sehen sich Frauen auch heute noch mit denselben Rollenkonflikten zwischen traditioneller Hausfrauenrolle und moderner Unabhängigkeit konfrontiert. Aufgrund der hohen Anzahl aktuell betroffener junger Frauen, muss man fragen, inwieweit die Ursachen von Essstörungen außer in individualpsychologischen und pathophysiologischen Faktoren auch in bestimmten Gesellschaftsstrukturen liegen können.
Die Autorin entwickelt hierzu ein soziokulturelles Modell für die Verbreitung von Magersucht, indem sowohl die kulturellen Ursprünge der Essstörungen, d.h. ihre historische Entwicklung im gesellschaftlichen Wandel seit dem letzten Jahrhundert, als auch anerkannte epidemiologische und ätiologische Erklärungsansätze berücksichtigt und in eine soziologisch orientierte Sichtweise integriert werden. Ein empirischer Anhang mit Tiefeninterviews betroffener Frauen unterstützt die Annahmen.