Spielräume der Subjektivität
Studien zur Erbauungsliteratur von Heinrich Müller und Christian Scriver
Polina Serkova
Die Subjektivitätsfrage, die im Mittelpunkt dieser Studie steht, ist die Frage nach dem historisch wandelbaren und kulturell bedingten Selbstverständnis des Menschen. Welche Züge trägt dieses Selbstverständnis im 17. Jahrhundert und wie wird es modelliert? Welche Rolle spielen dabei religiöse Texte? Welche Möglichkeiten eröffnen sie ihren Lesern und welche Grenzen stellen sie ihnen? Polina Serkova geht diesen Fragen anhand ausgewählter Texte der Erbauungsliteratur des 17. Jahrhunderts von Müller und Scriver nach.Heinrich Müller und Christian Scriver beschäftigen sich in ihren Werken hauptsächlich mit den Aspekten des menschlichen Daseins; sie versuchen, das Wesen des Menschen zu erörtern und vermitteln die sich daraus kristallisierenden Vorstellungen an den Leser. Dabei gehen sie weit über die Grenzen der Konfession oder gar Religion hinaus: Mit ihrer reichen Sprache und Bildlichkeit eröffnen sie dem Leser breite Spielräume, die es ihm ermöglichen, sich mit unterschiedlichen Menschenbildern zu identifizieren. Diese unterschiedlichen Menschenbilder arbeitet die Autorin heraus; sie zeigt ihre inhaltlichen Widersprüche auf und verfolgt ihre kulturellen Kontinuitäten und Brüche.
INHALT:
Einleitung;
1. Der deutsche Protestantismus im 17. Jahrhundert. Reformation des Lebens zwischen Sozialdisziplinierung und Verinnerlichung;
1.1. Von der Lehre zum Leben. Krisen des 17. Jahrhunderts und die reformatio vitae;
1.1.1.„Krise des 17. Jahrhunderts“ und apokalyptische Erwartungen;
1.1.2.„Frömmigkeitskrise“ im deutschen Protestantismus;
1.2. Reformation des Lebens – Erneuerung des Menschen. Reformvorschläge in der protestantischen Theologie des 17. Jahrhunderts;
1.3. Pietistische cultura animi: Zucht durch Verinnerlichung;
1.3.1. Die Religion des Herzens. Die Konstitution der religiösen Subjektivität im Pietismus;
1.3.2. Strenge (Selbst-)Kontrolle als pietistische Subjektivierungstechnik;
2. Erbauungsliteratur des deutschen Protestantismus im 17. und 18. Jahrhundert;
2.1. Der Begriff „Erbauung“ und die Funktionen der Erbauungsliteratur;
2.2. Die Bedeutung der Erbauungsliteratur für die private Religiosität;
2.3. Erbauungsliteratur des deutschen Protestantismus der „klassischen Epoche“. Von Johann Arndt zu Heinrich Müller und Christian Scriver;
2.4. Werke von Heinrich Müller und Christian Scriver: Makrostruktur der Texte;
2.5. Die Sprache der Erbauungsliteratur;
3. Kind, Patient, Schüler. Techniken der Unterwerfung in der Erbauungsliteratur;
3.1. Unsicher sein und geleitet werden: zur passiven Stellung des Menschen;
3.2. Kinder Gottes und das Erbauungsbuch als Schule. Paternalistische Metaphorik und pädagogische Intention der Erbauungsliteratur;
3.2.1. Kind vs. Erwachsener. Die Erziehung;
3.2.2. Gotteskinder vs. Weltkinder. Die Vaterliebe;
3.3. „Christum allein mit uns handeln lassen, und ihm stille halten“. Der Mensch als Patient;
4. „Der Grund ist tief“. Diskurs der Innerlichkeit in der Erbauungsliteratur;
4.1. Selbstliebe, Selbsthass, Selbsterkenntnis: Thematisierung des „Selbst“ und Forderung der Sorge um sich in der Erbauungsliteratur;
4.2. Zwischen Schuldgefühl und Urteilsvermögen: die Frage des Gewissens;
4.3. „Augen, Herz und Sinn“. Emotionale Anthropologie in der Erbauungsliteratur;
5. Vorbilder und Personifikationen: Leitbilder in der Erbauungsliteratur;
5.1. Imitatio Christi und neuer Mensch: die idealen Leitbilder in der Erbauungsliteratur;
5.2. Die „geistliche Braut“ und die „bußfertige Sünderin“: die weibliche Bildfigur der Seele;
5.3. „Freudiger Mut des Christen“: Der miles christianus als Frömmigkeitstyp;
5.4. Gotthold: zwischen einer „Pilgramschaft des betrübten Lebens“ und dem bürgerlichen Frömmigkeitsideal;
Schluss;
Quellen- und Literaturverzeichnis;
Abbildungsverzeichnis;
Abkürzungsverzeichnis