Steyler Missionare in China
Steyler China-Missionare in der Verbannung
Andrzej Miotk
Der ehemalige Chinamissionar P. Richard Hartwich (1912–2000) hat sich ab 1988 im Historischen Archiv des Steyler Generalates in Rom mit China beschäftigt und entwickelte sich zum engagierten Historiker jener Mission, die für unsere Gesellschaft die „erste Liebe“ war. Er scheute keine Mühe, diesbezügliche Unterlagen zu sammeln und so für die Nachwelt zu bewahren. P. Hartwich stammt aus Lichtenfeld im Ermland (heute Lelkowo). Seit kurz nach seiner Priesterweihe 1938 galt sein ganzer Einsatz der Chinamission. Dort arbeitete er 14 Jahre lang als Lehrer, Präfekt und Rektor im Kleinen Seminar in Yanzhoufu [frühere Schreibweise u. a. Yenchow(fu)] (1939–1953). 1953 wurde er, wie viele andere Missionare auch, aus China ausgewiesen und kam am 30. Dezember desselben Jahres im Missionshaus in Neuenkirchen an. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Heimat wurde er nach Hongkong versetzt, wo er ab September 1954 Bücher ins Chinesische übersetzte. 1956 übernahm er die chinesische Gemeinde in Dagupan auf den Phi-lippinen. Der neue Generalsuperior, P. Johannes Schütte, wollte ihn aber zum Spiritual des Petruskollegs in Rom machen und so fand er sich schon im September 1958 wieder zurück in Europa. Mit 54 Jahren schloss er 1966 an der Gregoriana-Universität in Rom sein Doktorat in Theologie ab.
1988 begann er, wie schon gesagt, mit emsigen Forschungsarbeiten im Historischen Archiv, die ihren Niederschlag in dem Werk „Steyler Missionare in China“ fanden, das auf 6 Bände anwuchs. Es besteht na-hezu ausschließlich aus Zitaten aus Primärquellen in unserem Archiv und bietet so eine Chronik der wichtigsten Ereignisse und der Etappen in der Entwicklung der Steyler Chinamission von der Mitte der 1880er- bis in die späten 1920er-Jahre.
Doch war der 6. Band nicht seine letzte Arbeit: Nach seinem Tod im Jahr 2000 wurde ein weiteres Manuskript entdeckt, das veröffentlicht werden sollte, nämlich eine Sammlung von Briefen des vormaligen Bi-schofs von Yanzhoufu, Theodor Schu (1892–1965), aus der Zeit seines Exils auf den Philippinen (1952–1959). Die fast 320 Briefe erlauben uns einen aufschlussreichen Einblick in die Bemühungen des Bischofs in der Verbannung zugunsten der Chinamission. Sie bezeugen sein fortwährendes Engagement für die Anliegen dieser Mission während der Jahre erbarmungsloser Verfolgung in China. Sie zeigen auch, dass er hoffte, einmal nach China zurückkehren zu können. Vor diesem Hin-tergrund unternahm er im Exil eine ganze Reihe von Initiativen und Bemühungen, die Entwicklung der Chinamission vom Ausland her zu fördern. Bischof Schu blieb in ständigem Kontakt mit den Missionaren, Schwestern, Freunden, Priestern und Seminaristen, die sich wie er ge-zwungen gesehen hatten, seine Diözese Yanzhoufu zu verlassen und auf die Philippinen oder anderswohin zu fliehen. Besonders kümmerte er sich um die Seminaristen seiner Diözese, die ihre Ausbildung auf den Philippinen fortsetzten oder in Europa oder den USA weiterführenden Studien nachgingen. Ein bedeutender Teil seiner Briefe ist auch in den Anliegen der Chinamission an Bischöfe oder Obere innerhalb der Ge-sellschaft gerichtet. Diese Korrespondenz stellt daher eine historische Quelle allerersten Ranges dar aus einem Zeitraum, der einen wesentli-chen Teil der Gesamtgeschichte der Steyler Chinamission ausmacht.