Strategien barocker Bildpropaganda
Aneignung und Verfremdung der heiligen Elisabeth von Thüringen
Cordula Bischoff
Barocke Kirchenausstattungen, auf den ersten Blick scheinbar maß- und regellos, unterliegen in Wirklichkeit strengen Gestaltungsregeln, die Architektur, Ornament, Skulptur und Malerei jeweils einen genau definierten Platz innerhalb des Gesamtkonzeptes zuweisen. Auswahl, Darstellungsform und Aufstellungsort selbst eines einzelnen Inszenierungselementes wie z.B. einer Heiligenfigur sind genau kalkuliert und den Anschauungen und Absichten der Auftraggeber angepasst. Das lässt sich erkennen, wenn man Heiligenfiguren unterschiedlicher Auftraggebergruppen vergleicht.
Am Beispiel der heiligen Elisabeth von Thüringen wird gezeigt, welche unterschiedlichen Darstellungstypen geprägt wurden und welche non-verbalen Botschaften damit übermittelt werden sollten.
So stellte der Deutsche Orden seine Ordenspatronin Elisabeth ausschließlich als absolutistische Fürstin dar, um zu kaschieren, dass er eines seiner ursprünglichen Ordensziele, die Armenpflege, nicht mehr erfüllte. Das Bild einer huldvollen Fürstin des 18. Jahrhunderts, die allenfalls gnädig Almosen verteilt, verschleierte das aktive soziale Engagement der historischen Elisabeth und stilisierte umgekehrt die halbherzige Armenfürsorge der Ordensmitglieder zu einer heiligmäßigen Tat. Die niederländischen Beginen hingegen betonten den Aspekt der Demut und stellten einen bildlichen Bezug zwischen Elisabeth und Christus her. Da die Beginengemeinschaften erst allmählich im 16. und 17. Jahrhundert von kirchlicher Seite anerkannt wurden, diente ihr Bild der Heiligen vorrangig der Demonstration ihres rechten Glaubens. Für den Franziskanerorden war Elisabeth als Repräsentantin des Dritten Ordens notwendiger Bestandteil seines Bildpro-gramms. Er schuf einen Standardtypus, der die Heilige als demütige Franziskanerin kennzeichnete. In Männerklöstern wurde diese Figur ausschließlich an Seitenaltären als Ergänzung zu Franziskus aufgestellt. Für die Franziskanerinnen hingegen und in noch stärkerem Maße für die Elisabethinerinnen stellte Elisabeth eine wichtige Identifikationsfigur mit Vorbildcharakter dar, die deshalb sehr häufig und jeweils individuell ausgestaltet an höherwertigen Aufstellungsorten eingesetzt wurde.
Im weltlichen Bereich diente Elisabeth adligen Damen gleichen Namens als Vorwand zur Selbstverherrlichung. Als Ahnfrau der hessischen Dynastie ist die Heilige mehrfach in Bildprogramme aufgenommen worden. Hier ist die Tendenz erkennbar, Elisabeth innerhalb der Heiligenhierarchie möglichst stark aufzuwerten, um als Nachfahre entsprechend vom Glanz der Heiligen zu profitieren.
Es wird ersichtlich, dass diese und weitere Auftraggebergruppen jeweils ein eigenes Elisabethbild entwickelt haben, dessen Gestaltung von inhaltlichen Vorstellungen bestimmt war.
Im Katalogteil werden erstmals über 200 barocke Darstellungen der heiligen Elisabeth zusammengestellt.