STUNDENBUCH ZUR ERHALTUNG DER SOZIALDEMOKRATIE – WAHN DER MODERNITÄT
„Heute wird einem auch gesagt, was man machen muß“
SOUL CONSTITUTION, C. M. Faust
»Stets hatte man vermeintliche Feinde gesucht und gefunden, die angeblich diese oder jene Krise verschuldet hatten. Und niemals hatte man gezögert, gegen diese Feinde zu kämpfen. Waren solche Feinde ausnahmsweise nicht aufzutreiben, etwa bei Naturkatastrophen, hatte man die Teufel und die Hexen einfach erfunden, um – anstatt zu leiden – verfolgt und strafen zu können.
Selbst den Tod, den unvermeidlichen, hatte man längst auch als Werk feindlicher Aggression durch Gifte, Bazillen, Viren oder mechanische Gewalt uminterpretiert. Kein Leid war übriggeblieben, dem man sich nur hätte einfach ergeben müsse oder auch nur dürfen. Bis zum letzten Atemzug Stärke zu beweisen, war die allgemeine Leitvorstellung ∆ Unfähig zu jener Kurskorrektur, welche die Zukunftsforscher gefordert hatten, blieb nur die Wahl – entsprechend einem damals geflügelten Wort – zwischen einem Schrecken ohne Ende oder einem Ende mit Schrecken.
Der Gedanke, sich hilflose einem langwierigen Dahinsiechen zu ergeben war unerträglich. Also blieb nur die Möglichkeit, dem Elend durch eine aktive Selbstvernichtungsaktion zuvorzukommen. Man konnte den Volksmassen allerdings nur in ihrer Gesamtheit zutrauen, daß sie die Geduld und die Tapferkeit für einen über Jahrzehnte hinweg vorzubereitenden Suizid aufbringen würden.
Eher konnte man ihrer Mitwirkung bei der notwendig erscheinenden Aktion sicher sein, wenn man dieser den Anschein zu geben vermochte, es handele sich um eine heroische Rettungs- und Befreiungsaktion.«
(Zitate: Horst Eberhard Richter, »Alle redeten vom Frieden«)