Symbolik des Märchens, Buch 2 von Band II
Gegensatz und Erneuerung im Märchen
Marie-Louise von Franz
In Symbolik des Märchens setzte sich Marie-Louise von Franz mit weit über 1000 Märchen aus aller Welt auseinander. Mit der redaktionellen Hilfe von Hedwig von Beit leistete sie damit eine wahre Herkules-Aufgabe. Sie interpretierte die schwer zu deutenden Symbole aus den Märchen und übersetzte diese in die Sprache der Psychologie. Dadurch gelang es ihr, die komplexen psychischen Abläufe im kollektiven Unbewussten zu entziffern. Aus dem geistigen Schatz dieses Materials enthüllte sie allgemeine psychologische Wahrheiten über die menschlichen Erfahrungen auf dem Weg der Individuation. Mit vielen individuellen Beispielen veranschaulichte sie den Weg der Selbstverwirklichung in seinen persönlichen, wie auch in seinen kollektiven, das heisst kultur-historischen und archetypischen Dimensionen.
Symbolik des Märchens war das erste umfassende Werk über Märchendeutung aus Jung’scher Sicht. Damals waren ausser den früheren Studien der Freud’schen Schule sowie kleineren Aufsätzen noch keine grundlegenden Märchendeutungen verfasst worden. Marie-Louise von Franz ging es damals darum, den Zugang zu der archetypischen Dimension des Märchens zu öffnen. Später hatte sie ihre damals erworbenen Erfahrungen in zahlreichen Vorlesungen zusammengefasst, die in einzelnen Büchern zur Interpretation von Märchen publiziert worden sind.
So schreibt von Franz in ihrem Buch Erlösungsmotive im Märchen:
«Bei der Interpretation der Märchen benütze ich eine andere Denkweise als die des Intellekts… Wenn man mit solch symbolischen Überlieferungen zu tun hat, lauscht man auf das, was das Symbol selbst uns zu sagen hat… Das nennt C. G. Jung ‹symbolisches Denken›… Die symbolische Denkweise verleiht ein unschätzbares Instrument zum Verständnis der Produkte der unbewussten Psyche… sie rückt das ansonsten unverständliche Material in ein neues Licht und vermittelt einen Reichtum an Verständnis. Das symbolische Denken ist eine Art liebenden Verstehens, ein Licht, das den Gott Eros nicht vertreibt.»
Marie-Louise von Franz arbeitete von 1939 bis 1948 hart und gewissenhaft an Symbolik des Märchens. Obwohl sie die verdiente Autorin dieses wertvollen, psychologisch-wissenschaftlichen Werks war, wurde es unter dem Namen von Hedwig von Beit publiziert. (Mehr darüber ist im Vorwort des Buchs zu erfahren). Wir sind glücklich, dieses opus magnum nun unter dem Namen von Marie-Louise von Franz veröffentlichen zu können.