Tagebücher
Elfriede Friesenbiller, Michel Leiris, Chantal Niebisch
Das Buch dokumentiert nicht nur die Entwicklung einer herausragenden Figur der europäischen Intellektuellen-Szene, sondern darüber hinaus auch ein Jahrhundert im Spiegel eines Beobachters und Akteurs, von den surrealistischen 20er Jahren über die deutsche Besetzung von Paris und den Existenzialismus bis in die Gegenwart.
Wenn es in unserem Jahrhundert einen Montaigne gegeben hat, dann in Michel Leiris, urteilte Jean Starobinski. Mit Mannesalter erfand er für seine Generation das Genre Autobiografie neu, in einer Mischung aus psycho-analytischer Allegorie und surrealistischer Montage, und mit der Tetralogie Die Spielregel führte er die Bekenntnisliteratur über das Literarische hinaus zu einer ‚Oper des Selbst‘ (Rimbaud), deren Arien und Rezitative sich um ein verschwindendes Subjekt sammeln.
Der Rohstoff all dieser konzentrierten Erkundungen, Forschungsreisen an den Ort des ›Ich‹, waren Notizhefte, die Leiris von 1922 bis 1989 führte. Er hielt in diesen Heften alles fest, was ihn bewegte: das politische Leben genauso wie seine Träume (aus denen später sein Buch Lichte Nächte und manch dunkler Tag, 1945, hervorging), Gespräche mit Künstlerfreunden (von André Breton bis Simone de Beauvoir) und ethnografische Gedankengänge ebenso wie sein Eheleben mit ›Zette‹ (Louise Godon), die im übrigen so etwas wie der rote Faden durch Leiris‘ Autobiografie ist und nach deren Tod seine Eintragungen versiegen.