Terahertzspektroskopie an plastischen Kristallen
Sebastian Emmert
Gläser und Kristalle unterscheiden sich in ihren physikalischen Eigenschaften grundlegend voneinander. Während die Moleküle im Kristall geordnet auf regelmäßigen Gitterpositionen sitzen, herrscht in der amorphen Struktur der Gläser Unordnung. Einer der bisher rätselhaftesten Unterschiede ist ein Absorptionsmaximum, das in amorphen Materialien universell im Bereich weniger Terahertz (THz) auftritt, in geordneten Systemen jedoch nicht zu beobachten ist. Es wird aufgrund seiner mit Streumethoden beobachtbaren Temperaturabhängigkeit häufig als „Boson Peak“ (BP) bezeichnet.
Zur Klärung der Herkunft des BP und Charakterisierung der ihm zugrundeliegenden Schwingungen wurden sechs dipolare Vertreter der so genannten „plastischen Kristalle“ untersucht. Dazu gehören Derivate des Cyclohexans und Cyclooctans sowie des käfigartigen Adamantans. Systeme aus dieser, auch für Anwendungen in zukünftigen Energie- und Wärmespeichern, äußerst interessanten Materialklasse nehmen unterhalb ihrer Schmelztemperatur einen außergewöhnlichen, „mesomophen“ Zustand ein. Die Moleküle sitzen dort auf festen Gitterplätzen, bleiben aber in ihrer Orientierung frei und daher ungeordnet.
Es wurden Transmissionsexperimente mit THz-Zeitdomänen- und Ferninfrarotspektroskopie im relevanten Frequenzbereich von 0.2-20 THz und über einen äußerst breiten Temperaturbereich durchgeführt. Diese wurden durch Messungen mit dielektrischer Spektroskopie zu niedrigeren Frequenzen hin erweitert. Entstanden sind dadurch einzigartig breitbandige und detaillierte Spektren der komplexen Dielektrizitätskonstanten aus der flüssigen sowie sämtlicher festen Phasen, mit deren Hilfe der entscheidende Einfluss intermolekularer Bindungen und Schwingungen auf den BP aufgedeckt und so das Rätsel um dessen Entstehung schlüssig gelöst werden konnte.