Transfusion von BNP-Alloantikörper-haltigem Serum auf Kälber mit unterschiedlicher Alloantigen-Reaktivität
Susanne Viebrock
In diese Studie wurden insgesamt 50 Kälber einbezogen. Von diesen wurden für die vorliegende Arbeit die Daten von 35 Kälbern aus dem Hauptversuch ausgewertet; die intravenös per Dauertropfinfusion innerhalb von 24 Stunden zugeführte Dosis an BNP- oder Kontrollserum betrug dabei 300 ml / 50kg KM. BNP-Serum erhielten 20 dieser Probanden, wovon 14 Tiere eine positive Alloantikörper-Bindungsreaktivität gegen Leukozyten im DFZM-Allo-AK-Bindungstest und 6 Tiere eine negative Alloantikörper-Bindungsreaktivität gegen Leukozyten im DFZM-Allo-AK-Bindungstest besaßen. Von den 15 Probanden, denen Kontrollserum verabreicht wurde, zeigten 11 Tiere eine positive Alloantikörper-Bindungsreaktivität gegen Leukozyten im DFZM-Allo-AK-Bindungstest und 4 Tiere reagierten diesbezüglich negativ. Darüber hinaus wurden bei den 14 Kälbern mit nachgewiesener positiver Alloantikörper-Bindungsreaktivität gegen Leukozyten und zu transfundierendem BNP-Serum auch deren MHC-I-Reaktivität bestimmt; dabei erwiesen sich acht Tiere hinsichtlich ihrer Allo-AK-Affinität für leukozytäre MHC-I-Moleküle als positiv und sechs Tiere als negativ.
Keines der Kälber verstarb im Verlauf der Studie an der BNP, und keines entwickelte klinische Symptome einer BNP. Jedoch konnten unter diesen klinisch unauffälligen Kälbern einige subklinische BNP-Fälle diagnostiziert werden. Bei neun der 20 mit BNP-Serum infundierten Kälber (45 %) kam es zu einer temporären Thrombozytopenie, bei dreien (15 %) zu einer temporären Leukozytopenie, und 18 dieser Probanden (90 %) entwickelten eine temporäre Lymphozytopenie. Die Unterschiede zwischen den beiden Serumtransfusionsgruppen erwiesen sich hinsichtlich des Verlaufs der Thrombozytenzahlen, der Lymphozytenzahlen sowie bezüglich der Anzahl an eosinophilen und der basophilen Granulozyten als signifikant.
Bezüglich der hämatologischen Befunde ergaben sich keine nachweisbaren Unter-schiede nach Transfusion von BNP-Serum respektive Kontrollserum zwi¬schen den Probanden mit positiver und solchen mit negativer Alloantikörper-Bindungsreaktivität, abgesehen von der Anzahl an eosinophilen Granulozyten, welche in der Gruppe mit negativer Alloantikörper-Bindungsreaktivität signifikant erhöht war, und von der Anzahl an Monozyten, welche in der Gruppe mit positiver Alloantikörper-Bindungsreaktivität signifikant erhöht war.
Ebenso konnten keine hämatologischen Unterschiede zwischen den Kälbern mit zuvor positiv getesteter MHC-I-Bindungsreaktivität und den Kälbern mit zuvor negativ getesteter MHC-I-Bindungsreaktivität gegen Alloantikörper nachgewiesen werden. Auch hier war einzig in der Anzahl der eosinophilen Granulozyten ein signifikanter Unterschied feststellbar.
Auch durch die Verabreichung einer nochmals deutlich erhöhten BNP-Serumdosis aus demselben Serumpool an drei Kälber konnten keine klinischen Anzeichen einer BNP bei den Studientieren hervorgerufen werden. Jedoch entwickelten diese eine subklinische BNP. Verglichen mit den subklinischen BNP-Fällen des Hauptversuchs konnten Unterschiede bezüglich der hämatologischen Parameter festgestellt werden, was auf eine gewisse Dosis-Wirkungsbeziehung hindeutet. Bei der höheren BNP-Serumdosis waren die Thrombozytopenie und Lymphozytopenie ausgeprägter und länger anhaltend. Zudem konnte bei einem dieser drei Kälber ein wesentlich deutlicherer und auffällig längerer Rückgang der Leukozytenzahlen festgestellt werden. Bei zwei Kälbern war die Monozytopenie deutlich ausgeprägter als bei den mit BNP-Serum behandelten Kälbern des Hauptversuchs.
Hinsichtlich der untersuchten Substrate und Proteine, der Serumenzyme, des Gerinnungsprofils und der Elektrolyte konnten keine signifikanten Unterschiede in Abhängigkeit der Art des transfundierten Serums nachgewiesen werden.
Bei der Betrachtung des Knochenmarks konnte festgestellt werden, dass in der BNP-Serum-Gruppe signifikant häufiger Zytophagie der Zellen mit anschließender Verminderung der Knochenmarkszellularität auftrat als in der Kontrollserum-Gruppe.
Schlussfolgerungen
Zur Induktion der BNP-typischen klinischen und pathologischen Veränderungen sind offensichtlich deutlich höhere und / oder spezifischere Mengen an Alloantikörpern erforderlich als sie in den hier intravenös zugeführten Serumdosen vorhanden waren. Jedoch führte die Transfusion des Alloantikörper-haltigen Serums teilweise zu hämatologischen Veränderungen, vergleichbar einer subklinischen BNP. Dabei deuteten die Befunde auf einen Zusammen¬hang zwischen den BNP-typischen hämatologischen Veränderungen und der Gesamtdosis an zugeführten Allo¬antikörpern hin. Für den pathogenetischen Effekt sind aber offensichtlich nicht oder nicht allein Alloantikörper gegen bovines MHC-I verantwortlich. Die Ergebnisse schließen daher eine klassische MHC-I-Variante als ur¬sächliches Anti¬gen eher aus. Die unterschiedlichen Auswirkungen auf die im Blut zirkulierenden Zielzellen sowie die deutlichen individuellen Unterschiede könnten dahingehend interpretiert werden, dass zum einen nicht alle kernhaltigen Zellen bzw. deren verschiedene Reifestadien das Zielanti¬gen bzw. die Zielantigene exprimieren und dass offensichtlich selbst innerhalb eines be¬stimmten Zelltyps kein kon¬stantes Expressionsmuster der BNP-Zielantigene existiert. Es ist ebenfalls nicht auszuschließen, dass von den Blutermüttern in unterschiedlichem Umfang mehrere gegen jeweils verschiedene Epitope gerichtete Alloantikörper gebildet werden, was die unterschiedlichen hämatologischen Veränderungen auch bei natürlich aufgetretenen BNP-Fällen erklären könnte.