Tubes, Hits, Ohrwürmer
Die Philosophie in der Jukebox
Claudia Krebs, Peter Szendy
Vermutlich war es der Schriftsteller und Musiker Boris Vian, der den Gebrauch des Wortes tube (frz. eigentlich „Röhre“) etablierte, um einen Hit zu beschreiben. Es handelt sich hier meistens um ein irgendein Lied, das allen anderen ähnelt und seine eigene Banalität durchaus zugibt.
Peter Szendy widmet sich dieser musikalischen Alltags-Erfahrung, die kaum jemals an die Oberfläche unseres Bewusstseins gelangt: mit philosophischem Spürsinn geht er den Ton-Spuren von Melodien nach, die als Tubes oder Hits allgegenwärtig sind.
Diese Melodien verfolgen uns, sie vermehren sich, wie richtige Ohrwürmer eben. Sie nisten sich bei uns ein, sodass wir geradezu besessen von ihnen sind. So werden sie manchmal zum Soundtrack unseres Lebens, erinnern uns an vergangene Augenblicke und einzigartige Erfahrungen.
Wie aber lässt sich diese – jenen Hits innewohnende – paradoxe Kombination aus größter Banalität und Einzigartigkeit denken? Wie kann ein musikalisches Klischee trotz seines regelrechten Verschleißes Träger eines unvergleichlichen Gefühls sein? Wie schafft es eine solche banale Melodie, sich als Massen- und Marktprodukt allen (und jedem) unterschiedslos anzubieten und gleichzeitig für jeden Einzelnen von uns zum musikalischen Kleinod zu werden?
Auf diese Fragen geben einerseits die Hits selber eine Antwort, wenn man es versteht genau zuzuhören: die Geschichten, die viele von ihnen erzählen (z.B. Parole, parole, parole oder Can’t get you out of my head), handeln indirekt auch von ihrer eigenen Macht und den Obsessionen, die sie erzeugen.
Zum anderen werden hier Erfolgs-Songs wie ernst zu nehmende Denkobjekte philosophisch angegangen und die paradoxe Verquickung zwischen Markt und Psyche, die diesen Musik-Schablonen inne wohnt, in Begleitung von Kierkegaard, Kant, Marx, Freud und Benjamin untersucht.