Über das Ethische bei Hermann Broch
Kritische Historiographie zur ethischen Intention und ihrer Funktion bei Hermann Broch
Uwe Dörwald
Die Romane Brochs gelten als groß intendiert. Sie sind entsprechend dieser Intention aufgenommen worden. Häufig wird behauptet, seine Werke seien ethisch. Dies läßt vermuten, daß sich diesbezügliche Äußerungen Brochs über die ethische Qualität seiner Romane in den Arbeiten über ihn fortpflanzen. Es besteht jedoch ein Mißverhältnis zwischen der Rede über das Ethische und dem Ethisch-Sein des Romans. Hieraus ergibt sich die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit: Wie konnte der Begriff des Ethischen Bestandteil der Romantheorie Brochs werden? Eine Antwort ist die, daß Broch seine Romantheorie, für die der Begriff des Ethischen eine entscheidende Rolle spielt, mit Blick auf die philosophische Richtung des Wiener Kreises entwickelte. Für diese Philosophie waren Ästhetik und Ethik Privatsachen. Dies stellt eine Herausforderung für Broch dar, denn Philosophie ohne Ethik ist für Broch keine Philosophie. Gezeigt werden also die Bedingungen, die es Broch erlaubten, den Begriff des Ethischen für den Roman in Anspruch zu nehmen, was nicht möglich ist, ohne einen Blick auf die Philosophie Wittgensteins zu richten.