Über Klimaneutralität hinausdenken
Politikpapier 12
In diesem Politikpapier empfiehlt der WBGU, nationale Langfriststrategien zu einem Hauptthema der Glasgower Klimakonferenz zu machen, um der aktuellen Klimapolitik Orientierung zu bieten. Bislang sind die Staaten nur dazu verpflichtet, kurzfristige „national festgelegte Beiträge“ (NDCs) zum Klimaschutz vorzulegen. Diese müssen deutlich ambitionierter werden und schon heute einen Pfad einschlagen, mit dem die Ziele des Pariser Übereinkommens erreicht werden können.
Daher ist es aus Sicht des WBGU notwendig, auch die Erstellung von Langfriststrategien verpflichtend vorzuschreiben. Sie sollten über Klimaneutralität hinaus auf globale Klimastabilisierung ausgerichtet werden. Sie bieten eine Richtschnur zur Verstärkung der nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) sowie eine Basis für eine international abgestimmte Nachhaltigkeitspolitik. Rückenwind gibt hierzu der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021, der die Erstellung langfristiger Strategien zur Minderung der CO2-Emissionen über 2030 hinaus für den deutschen Gesetzgeber als verfassungsrechtliche Pflicht einordnet.
Langfriststrategien sollten dafür drei separate Schwerpunkte enthalten: Sie sollten erstens den schnellen und vollständigen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger vorsehen, zweitens den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen sowie ihre nachhaltige Nutzung anstreben sowie drittens die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre strategisch vorbereiten. Die Strategien sollten Mehrgewinne mit anderen Dimensionen von Nachhaltigkeit anstreben, etwa Gesundheit oder Armutsbekämpfung. Von hoher Bedeutung ist schließlich, die internationalen Auswirkungen der in der eigenen Langfriststrategie festgeschriebenen Maßnahmen zu berücksichtigen, etwa die Folgen geplanter Importe von grünem Wasserstoff. Die Staaten sollten sich in Glasgow außerdem dazu bekennen, ihre Covid-19-Programme zur Bewältigung der Pandemiefolgen im Sinne klimapolitischer Langfriststrategien zu nutzen.