Uhuru Peak
Ein Bericht
Ulrich Schödlbauer
Sechs Männer besteigen den Kilimandscharo. Sie haben – ironisch, da es sich so gehört – eine Abmachung getroffen: wer nicht hinaufkommt, geht nicht zurück. Bald gerät jeder an seine Grenze; der Sauerstoffmangel verändert das Bewusstsein. Genau darauf kommt es ihnen an – sie gehören zu den ‚höheren Menschen‘ (wie Nietzsches Zarathustra sie nennt), die nicht aufhören können, in dem, was sie tun, das Allgemeine wahrzunehmen. So haben sie die Höhenkrankheit, bevor sie einen von ihnen überfällt und die Abmachung in Kraft tritt.
Vordergründig geht es in diesem ›Bericht‹ um den alljährlich von Tausenden praktizierten, touristisch präparierten Aufstieg zum Kilimandscharo, dem höchsten Berg Afrikas mit der schier unaufhaltsam schrumpfenden Gletscherkappe, der 1848, im Jahr der gescheiterten deutschen Revolution, von dem pietistischen Missionar Rebmann ›entdeckt‹ und von dem Verlagserben Hans Meyer – bekanntestes Produkt: Meyers Konversationslexikon – erstmals 1889 bestiegen wurde. Das eigentliche Thema des Buches ist allerdings die ›dünne Luft‹, die Ausdünnung, aber auch Intensivierung der intellektuellen und emotionalen Ressourcen des Einzelnen bis hin zur Implosion der Person.
Schödlbauer beschreibt diesen Prozess aus der Innensicht der sechsköpfigen Gruppe, die zunehmend zu einer Figur verschmilzt, um, ununterscheidbar geworden, radikal auseinanderzufallen. Zurück bleibt der Einzelne, dessen ›Verbleib‹ von den anderen, den Heimgekehrten, als Rätsel empfunden und gedeckt wird.
‚Unerträglich ist dies alles und überdies besorgniserregend. Denn wenn er sich auch sagen muß, daß im Augenblick nichts zu machen sei, so hält er den Hohn, der in dieser Feststellung liegt, für den Eröffnungszug einer Siegerlaune, die nicht mit Drohungen gegen Leib und Leben geizt. Die überlegene, willig anerkannte Macht, gegen die sich aufzulehnen ihm gleich zu Anfang zwecklos erschien, möchte sich nicht damit zufrieden geben, daß sie einen Jünger gefunden hat, sie will ihn ganz, sie will das Opfer. Im Gedanken daran wirkt es im nachhinein wie ein Akt unfaßbaren Leichtsinns, willig, mit gleichsam gesenktem Haupt dort unten weitergegangen zu sein, und sich damit nahezu vertrauensvoll dem Ungeheuer in die Hände überliefert zu haben.‘