Umgelenkt
Kathrin Schwarz
„An einem Holzklunker hängt der Schlüssel für mein Zuhause. Viereinhalb Jahre. Ein Viermannzimmer, das geht vielleicht noch, wo auch Achtmannzimmer existieren sollen.“
Einige Akademikerinnen schwärmen auch heute noch von ihrer Wohnheimzeit als Studentin in der DDR, für andere begann eine fremd gesteuerte Biographie. Mit Humor und Bitternis wird zeitnah von dieser Zeit erzählt. Das Manuskript ist 1989 entstanden und ohne von der Geschichte korrigierte Ansichten übernommen worden.
Beschrieben wird das Studenten- und Wohnheimleben 1984 aus der Sicht einer „umgelenkten“ Studentin:
„ ‚Was wollten Sie studieren?’
‚Geschichte.’
‚Das hat aber mit dem Studieninhalt gar nichts zu tun. Na ja, wir haben ein Traditionskabinett.’
“ Es ist die Erzählung einer versuchten Liebe:
„ ‚Mit der in Rot bin ich mal gegangen’, eröffnet mir Martin. Ein breites, gewichtiges Mädchen im unmöglich engen, roten Kleid schiebt sich vorbei und funkelt uns eisig an. Ich bin etwas schockiert über ihre Hässlichkeit. In meiner Eitelkeit nahm ich an, Martin geht wenigstens etwas nach dem Aussehen.“
Erzählt wird auch von einer Gebirgstour 1989 durch das Rila-Gebirge und von der plötzlich offenen Grenze:
„Er inhalierte lange, zischte den Rauch scharf nach oben und sagte: ‚Seit vorgestern soll es gehen, sie haben in Ungarn aufgemacht, und wir können rüber. Angeblich ganz einfach, im Bus oder zu Fuß.’ “