Unfalldatenbasierte Trajektorienschätzung für Kreuzungssituationen
Christian Ewald
In der vorliegenden Arbeit wird eine Methode namens MANTIK entwickelt, welche es erlaubt, zu gegebenen In-Depth-Unfalldaten von Pkw-Pkw-Kreuzungsunfällen die Einlauftrajektorien der Beteiligten zu schätzen. Die so ermittelten Trajektorien können z.B. im Rahmen der Effektivitätsbewertung eines Fahrerassistenzsystems mittels Pre-Crash-Simulation als Vorunfallszenario dienen. Die Methode ist algorithmisch in der objektorientierten Programmiersprache C++ umgesetzt und wird am Beispiel von GIDAS im Vergleich mit der Pre-Crash-Matrix getestet. Die Validität der geschätzten Trajektorien wird mit Hilfe von Fahrsimulatoraufzeichnungen untersucht. Die Pfade der ermittelten Trajektorien sind -stetig, stückweise aus Klothoiden beliebiger Anzahl zusammengesetzt und erfüllen diverse Randbedingungen, wie z.B. Kraftschluss, realistische Querbeschleunigung, realistische Lenkradwinkelrate und maximaler Lenkwinkel. Zur Erhöhung der Anwendbarkeit wird außerdem eine Heuristik zur Schätzung von Stoßpunkten und Impulswinkel auf Basis der Collision Deformation Classification entworfen. Die Berechnung der Trajektorien wird über ein nichtlineares Optimierungsproblem mit Gleichungs- und Ungleichungsnebenbedingungen mit Hilfe eines modifizierten Penalty-Verfahrens durchgeführt. Als Löser dient ein Newton-Raphson-Verfahren mit optimaler Schrittweitensteuerung. Der Startvektor wird über ein vereinfachtes, ebenfalls nichtlineares Optimierungsproblem ermittelt. Zur Bestimmung der benötigten Gradienten und Jacobimatrizen wird ein algorithmisch differenzierender Datentyp verwendet. Weiterhin wird die Machbarkeit der Nutzung von Geo‑ und Navigationsdaten zur automatisierten Lokalisation und Erstellung von digitalen Unfallstellen untersucht. In dieser Arbeit werden Grundlagen geschaffen, welche auf lange Sicht weltweite In-Depth-Unfalldaten zu simulationsfähigen Trajektorien umwandeln können. Dieser Prozess ist hoch‑ bis vollkommen automatisierbar, reproduzierbar, objektiv und kostengünstig. Die ermittelten Trajektorien können als Simulationsbasis bei der Entwicklung, Auslegung und Optimierung von Sicherheitssystemen beitragen.