Verbundverhalten von mineralisch und polymer gebundenen Carbonbewehrungen und Beton bei Raumtemperatur und erhöhten Temperaturen bis 500 °C
Kai Wilhelm
Textilbeton bzw. Carbonbeton ist ein mit textilen Strukturen bewehrter Verbundbaustoff. Tausende einzelne Filamente bilden Multifilamentgarne welche zu textilen Strukturen verarbeitet werden. Die einzelnen Filamente werden kraftschlüssig mit polymeren oder mineralischen Tränkungsmatrices zu homogenen Bewehrungsstrukturen verbunden. Eingebettet sind diese Textil- bzw. Carbonbewehrungen in anforderungsgerechten Betonmatrices.
Die Eigenschaften der am Verbund beteiligten Ausgangsbaustoffe beeinflussen das Leistungsvermögen des Verbundbaustoffes und des Verbundes zwischen Bewehrung und Betonmatrix entscheidend. Das Verbundverhalten wird vereinfacht in zwei Bereiche unterteilt. In den Haftverbund, welcher bereits bei kleinsten Verformungen zerstört wird. Beim Überschreiten des Haftverbundes wird von einem beginnenden Schlupf zwischen Bewehrung und umhüllender Betonmatrix ausgegangen. Und den Reibverbund, welcher über große Verschiebungen hinweg aufrechterhalten werden kann. Der Reibverbund ist von durch Schlupf erzeugter Reibung zwischen Bewehrung und umhüllender Betonmatrix geprägt.
In der vorliegenden Arbeit wurden unterschiedlichste Bewehrungsstrukturen auf ihr charakteristisches Verbundverhalten in einem Prüfalter von 28 Tagen bei Raumtemperatur und erhöhten Temperaturen bis 500 °C hin untersucht. Das Verbundverhalten wies je nach verwendeter Materialkombination und Geometrie der Bewehrungsstruktur sehr andersartige Verbundcharakteristika auf. Dies bezieht sich sowohl auf den Haftverbund (Anstieg der Verbundkurve) als auch auf den Reibverbund (Höhe und Neigung des Reibplateaus). Die Leistungsverluste im Verbund unter Temperatureinwirkung fielen ebenfalls sehr unterschiedlich aus. Wesentliche Ursache der Abnahme der übertragbaren Verbundkräfte ist bei polymeren Tränkungssystemen auf die Überschreitung der Glasübergangstemperatur und bei mineralisch getränkten Garnstrukturen auf Schwindverformungen infolge Dehydrierung zurückzuführen.
Aus der Vielzahl der durchgeführten Verbunduntersuchungen mit sehr unterschiedlichen Bewehrungstypen, konnte ein Ansatz zur einheitlichen bzw. vergleichenden Beschreibung des sogenannten Haftverbundes erstellt werden. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf dem Schlupfbeginn zwischen Bewehrung und Betonmatrix. Die experimentelle Ermittlung des Schlupfbeginnes erfolgte durch die Messung des Bewehrungseinzuges, bei gestaffelten Verankerungslängen von 10 mm bis 40 mm.
Als charakteristische Kenngrößen des Verbundmodells wurde der Schlupffortschrittsfluss, welcher den Schlupffortschritt in Abhängigkeit der auftretenden Verbundkräfte darstellt, als wesentlich betrachtet. Der Nachweis des Schlupffortschrittes zwischen Bewehrungselement und umhüllender Betonmatrix erfolgte mithilfe eines Bemessungsansatzes zur Rissbreiten-bemessung im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit. Mit Hilfe dieses Bemessungsansatzes kann eine Bemessung im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit für die Rissbreitenbemessung im auf Zug beanspruchten Bauteil und für die Schlupffreiheit am Ende der Endverankerung angewendet werden.