Vergine bella, che di sol vestita
Zyklische Vertonungen von Francesco Petrarcas Mariencanzone (1548-1655)
Adelheid Schellmann
Die Mariencanzone („Vergine bella“) ist mit ihren elf Strophen einer der längsten Texte aus Petrarcas „Canzoniere“. Beginnend mit Dufays „Vergene bella“ gab es mehrere Vertonungen einzelner Canzonenstrophen, bis 1548 Cipriano de Rores zyklische Vertonung erschien, wenn auch zunächst unvollständig. In den folgenden gut hundert Jahren entstanden weitere zyklische Vertonungen, von denen zehn erhalten sind (u.a. von A. Ferrabosco Il Vecchio, F. Portinaro, G.M. Asola, G.P. da Palestrina und I. Baccusi).
Ausgehend von umfangreichen neuen Quellenstudien wird die Frage diskutiert, in welchem Verhältnis die jüngeren Zyklen zu dem Modell de Rores stehen. Dessen Werke wurden nach seinem Tode 1565 weiterhin nachgedruckt und hatten für viele jüngere Komponisten Vorbildcharakter. Alle, die in der fraglichen Zeit die Mariencanzone vertonten, kannten zum einen mit Sicherheit de Rores Vertonung und mussten sich zum anderen daran messen lassen. Gibt es also in den jüngeren „Vergine“-Zyklen bewusste Bezugnahmen auf de Rore im Sinne einer „imitatio“ und wie lassen sich diese von Stil- und Gattungskonventionen unterscheiden?