Verträglichkeits- und Wirksamkeitsprüfungeines rekombinanten Stx2e-Toxoidimpfstoffesgegen die Ödemkrankheit des Schweinesin Feldversuchen
Olaf Karl Rudolf Bastert
Die Ödemkrankheit des Absetzferkels wird verursacht durch das von spezifischen Escherichia coli-Bakterien (EDEC, edema disease E. coli) im Darm der betroffenen Tiere produzierte Shigatoxin Stx2e. Die Bekämpfung der Erkrankung stellt sowohl unter ökonomischen Aspekten als auch aus Gründen des Tierschutzes eine dringend zu lösende Aufgabe dar. Mit dem Ziel der vorbeugenden Schutzimpfung wurde deshalb ein Stx2e-Toxoid-Impfstoff zur einmaligen Verabreichung an Ferkel ab dem Lebenstag 4 entwickelt und in vier tierexperimentellen Feldversuchen an Ferkeln in deutschen Erzeugerbetrieben auf seine Verträglichkeit und Wirksamkeit untersucht. Dabei entsprachen die verblindeten, randomisierten, placebo-kontrollierten und gemäß Good Clinical Practice durchgeführten Feldversuche FSE01, FSE02 und FSE03 den für das euro¬päische Genehmigungsverfahren von inaktivierten Tierimpfstoffen geltenden An¬for¬de¬run¬gen und Bestimmungen.
Im ersten Feldversuch wurden zunächst zwei potentielle Impfantigene unter besonderer Berücksichtigung der Impfstoffsicherheit vergleichend geprüft. Dabei war das Impf¬antigen 2 (rekombinantes, gentechnisch inaktiviertes Stx2e) dem Impfantigen 1 (rekombinantes, mit Glutaraldehyd inaktiviertes Stx2e-Holotoxin) hinsichtlich der Verträglichkeit überlegen. Die mit Impfantigen 1 geimpften Ferkel zeigten zu 47,4 % Schwellungen an der Injektionsstelle bis max. 3 cm und es verstarben 27,6 % der Ferkel innerhalb von 21 Tagen nach Impfung. In der Gruppe der mit Impfantigen 2 geimpften zeigten hingegen 4,1 % eine Schwellung bis max. 1 cm und es verstarben 2,7 %.
Mit Blick auf eine zentrale europäische Impfstoff¬genehmigung wurde der Impfstoff auf Basis von Impfantigen 2 eingehender getestet. Die hierzu benötigten Feldversuche wurden in drei verschie¬denen deutschen ferkelerzeugenden Betrieben durchgeführt. Es wurden 399 (FSE01), 327 (FSE02) und 309 (FSE03) 1 bis 7 Tage alte Ferkel von üblicher regionaler Rasse zufällig zwei Versuchsgruppen zugeteilt und verblindet entweder mit dem Impfstoff (IVP) oder mit dem Placebo (CP, isotonische Kochsalzlösung) am Lebenstag 4 (Studientag 0) geimpft. Zur Bewertung der Impfstoff-Verträglichkeit wurden alle Ferkel 6, 24 und 48 Stunden sowie 7 und 14 Tage nach Impfung auf die Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens sowie krankhafte Veränderungen insbesondere an der Injektionsstelle untersucht. Die rektale Körper¬temperatur wurde bei der Impfung sowie 6, 24 und 48 Stunden danach bestimmt. Jedes Ferkel wurde bei der Impfung und 14 Tage später gewogen. Zur Bestimmung der Impfstoff-Wirksamkeit wurden in demjenigen Lebensabschnitt der Ferkel, in dem der jeweilige Betrieb vorher von Ödemkrankheit betroffen war, alle Ferkel täglich tierärztlich untersucht. Der Gesundheitsstatus wurde tierindividuell anhand eines Score-Schemas bewertet. Die mit Ödem¬krankheit assoziierte Mortalität wurde anhand von pathologischen, histo¬patho¬lo¬gischen und kulturell-bakteriolo¬gi-schen Unter¬suchungs¬ergebnissen an verstorbenen oder aus ethischen Gründen eutha-na¬¬sier¬ten Ferkeln ermittelt. Ferner wurden von jedem Ferkel 21 Tage nach der Impfung sowie am Studienende je eine Blutprobe entnommen und in einem Serum-neutralisa¬tions¬test (SNT) auf Stx2e-neutralisierende Antikörpern untersucht. Weiterhin wurde jedes Ferkel vor und am Ende des Beobachtungszeitraumes der Impfstoff-Wirksamkeit gewogen.
Bezüglich der Verträglichkeitsparameter Allgemeinbefinden, Veränderungen an der Injektionsstelle, rektale Körpertemperatur und Gewichtszunahme bis Studientag 14 bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den Impfgruppen und ihrer jeweiligen Kontrollgruppe (Test auf Äquivalenz, p < 0,05). Der Anteil der Ferkel mit Stx2e-neutralisierenden Antikörpern war in jeder der IVP-Gruppen signifikant (p ≤ 0,05) höher als in der Kontrollgruppe (Studientag 21: IVP 77 % zu CP 0 %; 85 % zu 6 %; 77 % zu 0 %; Studienende: 87 % zu 0 %; 100 % zu 4 %; 100 % zu 6 %). Auch in zwei CP-Gruppen reagierten einige Ferkel serologisch positiv, was am Studientag 21 vermutlich an maternalen Antikörpern und am Studienende an der aktiven Immunisierung infolge einer EDEC-Feldinfektion lag. In den Feldversuchen FSE02 und FSE03, in denen nach dem Absetzen tatsächlich Ödemkrankheit unter den Versuchstieren ausbrach, waren in den geimpften Gruppen die mit Ödemkrankheit assoziierte Morbidität (0 % zu 15 %; 1 % zu 6 %) und Mortalität signifikant niedriger (0 % zu 11 %; 0 % zu 3 %) und die Gewichtszunahme im Flatdeck signifikant größer (6.889 g zu 6.197 g; 5.272 g zu 4.716 g) als in der jeweiligen Kontrollgruppe (p ≤ 0,05).
Die Ergebnisse belegen, dass Saugferkel in ihrer ersten Lebenswoche die Impfung mit der neu entwickelten rekom¬binanten Stx2e-Toxoidvakzine gut vertragen. Die Resultate zeigen ferner, dass die einmalige, prophylaktische Impfung zu diesem frühen Lebenszeitpunkt eine humorale, antitoxische Immunantwort induziert, die das Auftreten von Ödemkrankheit nach dem Absetzen verhindert oder den klinischen Verlauf dieser Erkrankung mildert. Die Impfung könnte dazu beitragen, den Einsatz von antimikrobiellen Chemotherapeutika während der Ferkelaufzucht und in der Schweinemast zu reduzieren.
Der in den Feldversuchen FSE01, FSE02 und FSE03 geprüfte Impfstoff wurde mittlerweile zur Verwendung am Schwein von der European Medicines Agency, London, am 10.4.2013 europaweit zugelassen. Er wird von der IDT Biologika, GmbH, Dessau-Roßlau, hergestellt und gegen¬wärtig unter der Bezeichnung ECOPORC SHIGA vermarktet.