Von Adorno zu Mao
Jens Benicke
Durch die antiautoritäre Studentenbewegung kommt die Kritische Theorie in Deutschland zum ersten Mal praktisch zur Geltung. An Adorno, Horkheimer und Marcuse orientierte studentische Theoretiker wie Hans-Jürgen Krahl, Frank Böckelmann u. a. gewinnen Mitte der sechziger Jahre im “Sozialistischen Deutschen Studentenbund” (SDS) kurzzeitig die Oberhand und drängen die traditionslinke Strömung zurück. Doch dieser erfreuliche Zustand ist nur von kurzer Dauer, denn schon auf dem Höhepunkt der Protestbewegung entstehen aus der antiautoritären Bewegung neo-leninistische Strömungen, die die Kritische Theorie als “kleinbürgerlich” zurückweisen. Damit einher geht auch die Abwehr und Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Dabei waren es doch gerade Mitglieder des SDS, die in den fünfziger und frühen sechziger Jahren immer wieder das Schweigen der postfaschistischen Gesellschaft gebrochen hatten. Die darauf folgende schlechte Aufhebung der antiautoritären Bewegung und die Konstitution der mao-stalinistischen K-Gruppen bedeutet dann die endgültige Abkehr eines großen Teils der Protestbewegung von der Kritischen Theorie.