Von böser Lust und rechter Freudigkeit
Die Kampagnen der Priester, Pastoren, Ärzte und Lehrer gegen das unglaublich gemeine Laster der zerstörerischen Selbstbefleckung - Eine Diskursanalyse
Klaus Dede
Zwei Jahrtausende lang wurde die Onanie von den Christlichen Kirchen mit einem Verbot belegt, das von keinem Jungen jemals eingehalten werden konnte. Trotzdem wurde es seit dem 19. Jahrhundert flächendeckend mit brutalen Mitteln durchgesetzt. Ein solches Tabu muss, so sagt Klaus Dede, enorme soziale Konsequenzen haben, und die benennt er in diesem Werk:
Das Onanierverbot löste die Jugendbewegung aus, die um 1890 einsetzte, also zu einer Zeit als die allgemeine Schulpflicht auch faktisch durchgesetzt wurde, denn die Jungen zogen nicht in Wald und Feld hinaus, um die deutsche Landschaft kennen zu lernen, sondern um in Ruhe onanieren zu können
Durch eben dieses Tabu wurde in mehr als vier Generationen ein Aggressionsstau aufgebaut, der erst in zwei Weltkriegen abgebaut werden konnte
Der vergebliche Versuch, das Masturbationverbot durchzusetzen, bewirkte eine üble Schnüffelpraxis der Lehrer, Pastoren und Ärzte, die es möglich machte, dass die Deutschen, die bis dahin nur den zwar keineswegs demokratischen, aber immerhin autoritären Rechtsstaat kennen gelernt hatten, am 31. Januar 1933 wussten, wie sie sich in einem terroristischen Regime, das seit dem 30. Januar bestand, verhalten mussten, um möglicherweise zu überleben
Allgemein kann man sagen: Zwar war das Onanieren allen verboten, aber zumindest alle Männer haben es getan oder tun es. Hier hatte also die doppelte Moral des Bürgertums ihren Sitz, deren Prinzip so lautet: Man darf alles, aber man darf sich nicht erwischen lassen.