Von der Schreibart des Moralisten
Seume
Bernhard Budde
In die Literaturgeschichte ist Seume weniger als Autor denn als Person eingegangen: als Wanderer, intransigenter Charakter, als Patriot und als Phänotyp des redlichen Deutschen. Die Abhandlung stellt anstatt der Bilder und Zerrbilder eines Menschen einen Schriftsteller vor; sie interpretiert Gedichte, die Reisebücher, die Autobiographie und Aphorismen des desillusionierten, jedoch an der verratenen Vernunft als der einzigen Orientierungsmöglichkeit festhaltenden Spätaufklärers. Hinter der scheinbaren Unzeitgemäßheit wird die tatsächliche Aktualität des rationalistischen Moralisten erkennbar, der sich utopischen Weltentwürfen ebenso versagt hat wie zynischem oder resigniertem Einverständnis mit der als negativ erfahrenen Wirklichkeit.