Wa(h)re Information – Interessant geht vor relevant
Fritz Wolf
Interessant oder relevant?
„Wir wollen, dass sie sich gut informiert fühlen,“ das war der Bekenntnis-Slogan eines kommerziellen Hörfunk-Senders. Die Berater der privaten Ketten, die später die öffentlich-rechtliche Konkurrenz im großen Stil heimsuchten, erweiterten mit ihren „Regeln in Blattgold“ das Postulat der „unterhaltsamen Information“. Der relevante Informationskern der Themen und Ereignisse müsse nicht mehr im Vordergrund stehen; das Besondere, Interessante, Unterhaltsame, Persönliche solle die Beiträge prägen. Eine erfahrene Kulturchefin fasste diese Leitlinie bereits vor Jahren in ihren Trainings in der Formel zusammen: „Zuviele Informationen hemmen den Erzählfluss“.
Diese Umwidmung des Relevanz-Begriffs im Feld der Information und die schleichende Aushöhlung der klassischen Nachrichtenfaktoren ist längst in die journalistische Praxis eingewandert. Selbst renommierte Chefredakteure werben öffentlich dafür, dass Verhältnis von „interessant und relevant neu aus zu tarieren.“ In internen Studien und Dienstanweisungen ist die „Umkehr der Wichtigkeiten“ in sogenannten Informations-Formaten bereits normiert worden. Die weit verbreitete Anweisung „Gesprächswert geht vor Erkenntniswert“ bleibt meist unwidersprochen. Mit praktischen Folgen: Mitten in einer seriösen Nachrichtensendung wird der Tod eines (ziemlich unbekannten) Bassisten einer (ziemlich berühmten) Pop-Band als news-clip noch vor den Ereignissen in Griechenland gesendet. Vor ein paar Jahren wäre dieser „Informations-Cocktail“ schlicht undenkbar gewesen.
Welche Auswirkungen diese Umwidmung auf die Informations-Qualität der Mediennutzer hat und wie damit journalistische Standards geschliffen werden, analysiert Fritz Wolf in der vorliegenden Analyse. Wie hoch ist der „Informationsanteil“ in den Fernsehprogrammen tatsächlich? Welche Unterhaltungs- und Verbraucher-Formate werden automatisch in der Sparte „Information“ rubriziert? Warum ist nicht Information drin, wo Information drauf steht?
Die vorliegende Untersuchung führt auch zu der Frage, wie ein besseres Informationsverstehen im Meer der clicks, news und pseudo-facts befördert werden könnte. Sauber recherchierte und überprüfte Nachrichten, eingeordnet in ihren thematischen Kontext, auf ihre Relevanz getestet: dies könnte der bedenklichen Tendenz begegnen, dass sich 75 Prozent der Bürger durch die Medienberichte überfordert fühlen.
(Beschreibungstext: Otto Brenner Stiftung)