Wege und Grenzen der Politisierung
Zum Kontext der Bachjahre 1935 und 1950
Eduard Mutschelknauss
Die Politisierung eines Komponisten ist ein gängiges Phänomen, das stark ausgeprägt vornehmlich in den Strukturen totalitärer Regime zum Tragen kommt. Verschieden sind im Vergleich einzelner Systeme allerdings meist die Interpretationsansätze, derer man sich bedient, um das Erbe einer reichen kulturellen Vergangenheit zu erschließen. Während die Tendenzen politischer Deutung und Umdeutung eines Komponisten oder auch musikalischer Inhalte häufig isoliert, das heißt innerhalb eines geschlossenen Zeitraumes – im konkreten Zusammenhang also in der NS-Zeit respektive der DDR -, betrachtet werden, geschieht eine systemübergreifende Kontextualisierung nur selten. Gleichwohl verspricht das Eröffnen einer erweiterten Perspektive in mancherlei Hinsicht einen Erkenntnisgewinn, der zumal im abstrakten Muster politischer Aneignung beschlossen liegt. Angriffs- und Zielpunkt dieser Arbeit ist die Exposition dieses wesentlichen Gedankens, der hier an die konkreten Ereignisse im Umfeld der Bachjahre 1935 und 1950 geknüpft bleibt. Als frappierend erscheint in diesem Zusammenhang die zeitliche Nähe, der zwei fundamental unterschiedliche Ideologien gegenüberstehen, die wiederum auf die Inhalte der jeweils andersartigen Bach-Interpretation abstrahlen.