Weiterentwicklung der Nachrechnungsrichtlinie – Validierung erweiterter Nachweisformate zur Ermittlung der Schubtragfähigkeit bestehender Spannbetonbrücken
Oliver Fischer, Josef Hegger, Maximilian Schmidt, Sebastian Thoma
Ziel dieses Forschungsvorhabens ist die Validierung neu entwickelter Nachweisformate im Zuge
der Fortschreibung der Nachrechnungsrichtlinie. Hierzu wird in einem theoretischen Arbeitspaket
das Fachwerkmodell mit additivem Betontraganteil anhand repräsentativer Beispielbauwerke und Versuche bewertet. Neben analoger Anwendung an Beispielbauwerken wird auch das Sicherheitsniveau der kanadischen Norm CSA A.23 diskutiert und darauf aufbauend werden Entscheidungshilfen zur Anwendung bei der Nachrechnung formuliert.
Parallel dazu werden im Rahmen experimenteller Untersuchungen an vorgespannten Balkenelementen mithilfe der Substrukturtechnik mögliche Effekte aus einer Variation des Längsbewehrungsgrades analysiert. Anhand eines Durchlaufträgers wird die Substrukturtechnik validiert. Wesentliche Ergebnisse der experimentellen und theoretischen Untersuchungen
werden im Folgenden vorgestellt. Für weiterführende, im Detail erläuternde Informationen
wird auf den Schlussbericht verwiesen.
Das beobachtete Versagen geprüfter Balkenelemente kann als klassisches Biegeschubversagen
bei teilweise unterschiedlicher finaler Ausprägung klassifiziert werden. Die Plattenbalkenquerschnitte
zeigen vor Erreichen der Bruchlast zusätzliche, unmittelbare Schubzugrisse in bereits gerissenen
Druckspannungsfeldern in Feld- und Stützbereichen. Mit Erreichen der Bruchlast lokalisiert sich in
einem kritischen Biegeschubriss bzw. einschießendem Schubzugriss die finale Bruchkinematik. Die
freiwerdende Energie kann nur durch die Steifigkeit der Gurte bzw. das kreuzende Spannglied gedämpft werden, weshalb das Bruchverhalten der Versuche mit dem geringsten Längsbewehrungsgrad besonders abrupten Charakter zeigt. Die Systemduktilität eines Querkraftversagens wird somit nicht unmittelbar und ggf. nicht vorrangig durch den Schubbewehrungsgrad gesteuert, auch der Längsbewehrungsgrad sollte hierfür berücksichtigt werden. Im Rahmen der betrachteten Versuchsreihe beeinflusst ein reduzierter Längsbewehrungsgrad die Schubtragfähigkeit nicht nachteilig. Dies wird durch einen signifikanten Dehnungszuwachs der initial moderat vorgespannten Spannglieder ermöglicht.
Die Neigung kritischer Schubrisswinkel verläuft bei allen Versuchen flacher als der zulässige
Schubrisswinkel βr nach Nachrechnungsrichtlinie (βr ≤ 25,45°). Die Mobilisierung derart flach geneigter Druckspannungsfelder ermöglicht die im Bericht ausgewiesenen erreichten Traglasten. Vor dem Hintergrund der Nachrechnung von Bestandsbrücken ist – neben der begrenzten Datengrundlage – von einer weiteren Anpassung hin zu flacher ansetzbaren Schubrisswinkeln abzusehen, da damit implizit eine ausreichende Duktilität der Querkraftbewehrung angenommen wird. Dieser Umstand wird aber nicht geprüft, meist ist dies auf Basis der Bestandsunterlagen ohnehin nicht möglich.