Welche Farbe hat die Angst?
Menschen am Rand unserer Gesellschaft
Ursula Schmid-Spreer
Er hatte Angst – wie immer, jeden Tag. Er wollte doch leben, aber es war so schwer. Jeden Tag dieser Suchtdruck, jeden Tag schauen, wo er Stoff herbekam. Sicher meinten es die Leute gut, wenn sie ihm Kaffee oder auch ein Brötchen gaben. Er hatte schon fünf Becher Kaffee. Geld wollten sie ihm nicht geben, er würde es für Dinge benutzen, die nicht legal waren. Wenn die Leute nur wüssten, wie schlecht es ihm ging! Wo konnte er die Nacht verbringen? Würde er Prügel beziehen, wenn er in einem fremden Revier wilderte? Erst neulich hatte ihm einer Schläge angedroht und ihm die Flaschen abgenommen, die er gesammelt hatte. Das sei sein Gebiet, hatte er gesagt. Woher sollte er das wissen? Schläge kannte er. Sie begleiteten ihn schon sein ganzes Leben. Wenn er nachts in seinem Bett lag, die Bettwäsche war zwar schmutzig, aber es war ein Bett, dann zog er die Decke ganz fest über seine Ohren. Er wollte es nicht hören. Wenn er wieder zuschlug. Er erkannte schon daran, wie das Schloss geöffnet wurde, in welcher Stimmung sein Stiefvater war. Wenn er nicht schnell genug verschwand, gab es einen Tritt anstatt eines »Guten Tag«, oder »Hallo.« Da fragte er sich das erste Mal, welche Farbe die Angst hatte.
Das Beste, was ich jemals in meinem Leben gemacht habe, war Hilfe annehmen. (Robert B.) Wer hilft? Wohin kann ich gehen? An wen kann ich mich wenden? Dieses Buch zeigt nicht nur Stellen auf, die Hilfen anbieten, sondern führt Interviews mit Betroffenen und erzählt Lebensgeschichten von Menschen, die in unserer Gesellschaft etwas abseits stehen.