Wenzel singt Maschas Kinderlieder
Hans-Eckardt Wenzel
Haben Sie auch schon einmal nach Aufnahmen traditioneller Kinderlieder gesucht? Nach den Liedern, mit denen alle Generationen groß geworden sind, die das Weltbild und die Sehnsüchte tief greifend bestimmt haben? Ging es Ihnen auch so, dass Sie enttäuscht waren von all jenen aufgepoppten, verkünstelten Varianten, die mehr auf die Dressurleistungen eines Chorleiters oder Computerbastlers verwiesen, denn auf den archaischen Ursprung unserer Kindheitswelten?
Wenzel hat siebenundzwanzig der schönsten Kinderlieder (die zugleich Volkslieder sind) eingespielt und auf einer CD veröffentlicht. Die Auswahl, so schreibt er im Vorwort des prachtvoll ausgestatteten booklets, habe seine dreijährige Tochter Mascha bestimmt und für sie habe er all diese Lieder aufgenommen. Der persönliche, fast intime Ton der Einspielung besticht. Alle Lieder, liebvoll in alter Handwerkerart mit „echten“ Instrumenten eingespielt, eröffnen erneut ihre als Kind einst so phantastisch erlebten Geheimnisse.
Wenzel vergleicht im Vorwort diese Lieder mit schönen Steinen, die man lange in der Hosentasche getragen, ihre scharfen Kanten und schlechten Stellen verloren haben; diese Lieder, die durch so viele Münder gegangen waren, verloren so alles überflüssige, verkünstelte und affektierte. Ein unerwartetes Vergnügen. Plötzlich fallen uns alle diese Zeilen und Melodien wieder ein und wir merken, wie tief diese Erfahrung in uns verankert ist.
Dieser CD gelingt etwas, was bei Kinderliederaufnahmen selten der Fall ist! Sie hat Erbarmen mit den Eltern. Denn sollten diese durch ihre Sprößlinge gezwungen werden, des Öfteren den uralten Weisen lauschen zu müssen, so werden auch die Ausgewachsenen und gealterten Kinder ihre Freude an dieser unambitionierten,
sehr frischen und unverschnörkelten Art finden.
Wenn Sie nicht wollen, dass sich das Repertoire der Lieder ihres Kindes auf die Interessen der Marketingabteilung Walt Disneys beschränkt, dann kommen Sie um diese CD nicht herum. Dann können Sie auf jeden Fall nicht mehr mit schimpfen, wenn das Elternvolk sich darüber beschwert, dass es keine „ordentlichen Kinderlieder“ mehr gibt.