White Etching Cracks (WEC) in ölgeschmierten Wälzkontakten
Francisco Gutiérrez Guzmán
Die Wälzlagerauslegung hinsichtlich der Ermüdungslebensdauer nach DIN ISO 281 berücksichtigt nicht die Auftretenswahrscheinlichkeit von Frühausfällen im Zusammenhang mit „White Etching Cracks – WEC“. Das Schadensbild WEC ist durch Risse in veränderten Gefügebereichen charakterisiert, welche aufgrund ihrer geringen Ätzreaktion weiß unter dem Lichtmikroskop erscheinen. Der Schädigungsvorgang, der zu WEC führt, und dessen Einflussparameter sind weitestgehend ungeklärt. Ziel dieser Arbeit bestand daher in der Identifikation und Bewertung von Einflussparametern auf die Entstehung von WEC in ölgeschmierten Wälzkontakten. Dazu wurden experimentelle Arbeiten an Axialzylinderrollenlagern, Scheibenprüfkörpern und Radialzylinderrollenlagern durchgeführt. Parallel wurden die Oberfläche- und Materialbelastung im Wälzkontakt anhand von Simulationen ermittelt und zur Interpretation der auftretenden Schadensbilder herangezogen. Die Gegenüberstellung der Schadensbilder aus den unterschiedlichen Systemen erfolgte begleitend auf makroskopischer und mikroskopischer Betrachtungsebene.
Am Axialzylinderrollenlager wurden zunächst Referenzbedingungen erarbeitet, deren Anwendung zur Entstehung von WEC führt. Die Untersuchungen zeigen, dass die Entstehung von WEC vermehrt im negativen Schlupfbereich stattfindet und durch die Erhöhung der Kontaktpressung sowie die Reduktion der Regenerationszeit begünstigt wird. Ferner zeigte das tribologische System eine Sensitivität gegenüber der Schmierstoffformulierung. Ausfälle in Folge von WEC traten nur unter Verwendung eines vollformulierten Mineralöles begleitet durch einen erhöhten diffusiblen Wasserstoffgehalt auf. In Hinblick auf den Schädigungsvorgang konnte zusätzlich gezeigt werden, dass in diesem System die Initiierung von WEC unterhalb der Oberfläche auftritt.
Am Zweischeiben-Tribometer erfolgte die entkoppelte Untersuchung von Einflussparametern unter Verwendung von Radiallagerinnenringen. Die Schadensreproduktion wurde durch die Überführung von Kontakt- und Schmierungsbedingungen vom Axialzylinderrollenlager auf das Zweischeiben-Tribometer erreicht. Am Zweischeiben-Tribometer nimmt die Ausfallneigung der Scheibenprüfkörper mit abnehmendem Festkörpertraganteil infolge einer zunehmenden spezifischen Schmierfilmdicke ab. Des Weiteren wirkt sich eine Verringerung der „Slide-Roll-Ratio“ in Kombination mit einer einhergehenden Reduktion des Reibungskoeffizienten positiv auf die Lebensdauer aus. Beim Betrieb im Bereich der Grenzschmierung treten WEC vermehrt unter negativem Schlupf auf, im Bereich der Teilschmierung hingegen unter positivem Schlupf. In diesem tribologischen System traten die WEC unabhängig von den eingestellten Kontaktbedingungen hauptsächlich im Bereich der maximalen Kontaktpressung auf und wurden ebenfalls unterhalb der Oberfläche initiiert. Das Vorliegen des gleichen Schadensmechanismus wie in Axialzylinderrollenlagern wurde durch die Analyse der Schadensbilder nachgewiesen.
Auch die Schadensreproduktion am Radialzylinderrollenlager erfolgte durch die Überführung der Kontakt- und Schmierungsbedingungen von Axialzylinderrollenlagern und Zweischeiben-Tribometer auf dieses tribologische System. Der in Radialzylinderrollenlagern fehlende kinematisch bedingte Schlupf wurde durch ein Unterschreiten der vorgegebenen Mindestlast gezielt aufgebracht. In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass das abwechselnde Anfahren von Betriebspunkten unter ermüdungsfördernden und schlupffördernden Wälzlagerlasten zu einem Wälzlagerfrühausfall im Zusammenhang mit WEC führen kann. Anschließend wurden Betriebsbedingungen und somit Parameterkombinationen an feldrelevanten Radialzylinderrollenlagern identifiziert unter denen Wälzlagerschlupf bei Wälzlagerlasten oberhalb der Mindestlast auftritt und daher unter Verdacht stehen WEC zu begünstigen.