Wie soll ich mich entscheiden?
Bioethische Fragestellungen am Lebensbeginn und -ende
Sonja Andruschak Dr.
„Wissenschaft und Technik müssen von der Vorstellung Abschied nehmen, was sie machen, sei in sich wertvoll, und für die Folgen hätten andere Vorkehrungen zu treffen. Die Menschen sind nicht dazu da, um Opfer des abstrakten Wahrheitsdrangs der Wissenschaft zu sein. Kann man wirklich eine ganze gesellschaftliche Gruppe von der Verantwortung für die Folgen ihres Tuns freisprechen?“1
Was Altbundespräsident Walter Scheel in einer Rede vor dem Weltkongress für Philosophie bereits im Jahre 1977 vehement anmahnte, ist heute, 40 Jahre später, brisanter denn je. Fast scheint es, als hätte sich die Wissenschaft im falsch verstandenen Wort aus Gen 1,28: „ […] macht euch die Erde untertan“ mit Descartes zum Herrn und Eigentümer der Natur gemacht, ohne sich zu fragen, was denn ihre Forschungsergebnisse für Konsequenzen zeitigen – für die Gesellschaft und das Individuum.
Beispiel: die Medizin-Technik und ihre Eingriffsmöglichkeiten in das menschliche Leben. Was wann wie und woran erforscht werden darf, wird bestenfalls zu einer medizin- oder bioethischen Fragestellung, in der der Ruf nach einer ethischen Mitverantwortung wissenschaftlicher Forschung aufscheint. Das aber ist nur eine Seite des Problems. Wie mit den daraus entwickelten Möglichkeiten
und den im Einzelfall ermittelten (Untersuchungs-)Ergebnissen am Anfang oder Ende eines Menschenlebens umgegangen werden kann, soll oder darf, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Zwar gibt es staatliche Gesetze und ethisch-moralische Übereinkünfte; im konkreten Einzelfall aber geht es um sehr individuelle, ethisch begründete Entscheidungsprozesse, die nicht selten eine Dilemmasituation darstellen und dem Menschen eine äußerst schwierige Gewissenentscheidung abverlangen.
Schule und Religionsunterricht haben den Auftrag, Schülerinnen und Schülern Orientierung in einer immer pluraler werdenden Gesellschaft anzubieten. Dazu gehört auch, ihnen den Raum zu bieten, sich kritisch mit lebensrelevanten gesellschaftlichen ethischen Herausforderungen auseinanderzusetzen und Stellung zu beziehen. Nicht von ungefähr sind daher medizin- und bioethische Fragen nach dem Anfang und Ende menschlichen Lebens, nach den Möglichkeiten, Grenzen und Zielen pränataler diagnostischer Methoden oder auch nach der Verantwortbarkeit von Sterbehilfe Gegenstand sowohl in der Oberstufe des beruflichen Gymnasiums wie der beruflichen Abschlussklassen.
Der hier vorliegende Band aus der Reihe Lernimpulse für berufliche Schulen, gibt den aktuellen Stand zur bioethischen Debatte wieder und bietet neben Literatur-, Link und Medientipps Beiträge zu folgenden Themen an: Eberhard Schockenhoff beschreibt in seinem Artikel die Bedeutung des Gewissens und beantwortet in einem Interview Fragen zu Gewissen und bioethischen Themen.
Unterrichtspraktische Impulse finden Sie zu den Themen Entscheidungsfindung, Designerbaby, Pränataldiagnostik, Social Freezing, Präimplantationsdiagostik, Abtreibung, Organspende und Sterbehilfe von Manuel Dazinis, Magdalena Surdyka, Benedikt Vering, Dr. Jonas Pavelka, Dr. Dominic Baltes, Simon Lienhard, Aeneas Krocker und Dr. Stefanie Schneider.
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1) Zitiert nach: Schneider, Jürgen: Die Zeit drängt mehr denn je. In: Bartosch, Ulrich/Braun, Reiner: Perspektiven und Begegnungen – Carl Friedrich von Weizsäcker zum 100. Geburtstag. Münster 2012, S. 216f. (= Weltinnenpolitische Colloquien, Bd. 5).