Wiederbelebung eines Traumas
Heide Jurczek
Als Angeklagte in einem Strafprozess erlebt die Erzählerin, eine alte Frau, einen „flashback“. Zurückversetzt in ein Kindheitstrauma verhält sie sich vor dem Strafrichter wie als angstvolles Kleinkind beim Verhör vor dem strengen Vater. Er glaubte ohnehin nie an ihre Darstellung von Ereignissen, hielt stets seine eigenen Vorstellungen für wahrscheinlicher. Doch Widerspruch weckte seinen Jähzorn, und so hatte das Kind gelernt, sich brav zu verhalten.
Mit dieser unbewussten Einstellung kommt es vor Gericht zur „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ – der Richter glaubt ihr ebenso wenig wie ehemals der Vater. Seine Forderung eines hohen Bußgeldes empört sie, doch zu irgendwelchen Einwendungen ist sie nicht fähig.
Erst ihre anschließenden psychosomatischen Reaktionen – (Schlafstörungen, Kieferschmerzen, verstärkte Rückenschmerzen und das Bedürfnis, immer wieder über die Verhandlung zu sprechen) – nötigen sie irgendwann später, sich weniger mit dem ihr zugefügten Unrecht, dafür mehr mit ihrem eigenen Verhalten vor Gericht auseinanderzusetzen. Da erst begreift sie den Strafprozess als Neuauflage der früheren grausamen elterlichen Strafgerichte, erkennt ihr ängstliches Verhalten als Wiederholung der traumatischen Situation in der Kindheit.
Ihr wird bewusst, dass sie dies Trauma nur dann endgültig „verdauen“ kann, wenn sie die narzisstisch kränkende psychosomatische Schwachstelle, ihr instabiles Rückgrat, in ihr Selbstbild integriert. Sie weiß, dass sie nur mit An-Erkennung = Akzeptanz ihre neuen Erkenntnisse zur Erweiterung ihres Selbstbewusstseins nutzen kann.