„Wir setzten unser Exil fort“
Facetten des Exils im literarischen Werk von Peter Weiss
Juliane Kuhn
„Wir setzten unser Exil fort“ – so äußerte sich der deutschsprachige Autor Peter Weiss 1979. Er bezog sich hier auf die Autoren Erich Fried und Wolfgang Hildesheimer, die wie er nach 1945 nicht mehr in einem der beiden deutschen Staaten heimisch geworden waren, sondern es vorgezogen hatten, im Ausland zu leben. Ausgehend von der Kontinuität solcher Äußerungen stellt sich daher die Frage: Redet hier ein Überempfindlicher, oder wurde Peter Weiss durch die Emigration doch außergewöhnlich geprägt? Wendet man sich seinem umfangreichen wie vielseitigen künstlerischen Werk zu, so spricht vieles für letzteres. Die Auseinandersetzung mit der Exilproblematik bei Weiss scheint somit eine Grundvoraussetzung für das Verständnis seiner Literatur wie seiner Stellung in der deutschen Literaturlandschaft zu sein, was von der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft bisher nicht gesehen wurde. In der nur punktuell geführten Diskussion erlag man meist der Versuchung, den Selbstdeutungen von Weiss, speziell denen der autobiographisch orientierten Prosawerke Abschied von den Eltern und Fluchtpunkt, zu folgen und sich mit diesen zu begnügen. Man fragte kaum nach den Motiven und Ursachen für den in den sechziger Jahren einsetzenden Hang zu solchen Selbstdeutungen, für das anhaltende Bedürfnis dieses Autors, sich seines eigenen Standortes immer wieder zu vergewissern. In dieser Untersuchung wird daher den verschiedenen Bedeutungen, die Exil für Peter Weiss hatte, oder die es nachträglich erhielt, nachgegangen – und zwar für die Jahre der Emigration wie auch die Folgezeit bis zum Tod im Jahr 1982. Einbezogen wird auch jene Generation oder Schicksalsgemeinschaft von Autoren und Autorinnen, zu der sich Weiss selbst zuletzt zugehörig fühlte und mit der er somit auch gewisse Übereinstimmungen zeigt.