Zeit-Repertorium der Arzneimittel
mit Mondphasen
Cyrus Maxwell Boger
C. M. Boger (1861-1935) – eine der herausragenden Persönlichkeiten der amerikanischen Homöopathie – verstand es in besonderem Maße, in den Symptomenlisten der Materia medica und der Krankenjournale die charakterisierenden Stränge zu erkennen und die wesentlichen Aspekte herauszuschälen und zu ordnen. Er folgte dabei den Wegen, die von S. Hahnemann und C. M. von Bönninghausen vorgegeben waren und erweiterte deren Betrachtungsweise durch eine besondere Beachtung der Dimension ‚Zeit‘. Die Dynamik hinter dem Krankheitsgeschehen diente ihm oft als Schlüssel für die Arzneifindung, als direkter Ausdruck der gestörten Lebenskraft. Der zeitliche Aspekt drückt sich einerseits im Verlauf der Krankenbiographie aus und führt unmittelbar zum Verständnis miasmatischer Vorgänge. Andererseits äußert er sich in Form von Zeitmodalitäten, die dem Krankheitsgeschehen eine höchst charakteristische Veränderlichkeit einprägen. Somit wird die Zeit zu einem Phänomen, das eine ausführliche repertoriale Erfassung verdient.
Den ersten Teil des Zeit-Repertoriums veröffentlichte Boger in den Proceedings der ‚International Hahnemannian Association‘ (IHA) des Jahres 1925 (S. 162). Es handelte sich hierbei um eine repertoriale Darstellung der allgemeinen Uhrzeit-Modalitäten ohne weiteren Bezug zu bestimmten Lokalisationen. Diese bildeten mit ihren höchsten Wertigkeiten die Grundlage für Bogers Zeitrubriken in den Repertorien ‚Synoptic Key‘ und ‚General Analysis‘.
Der zweite – wesentlich umfangreichere – Teil geht von Zeitmodalitäten aus und führt – ähnlich dem gewohnten Kopf-bis-Fuß-Schema – Detailrubriken hierfür auf. Dadurch kann die Zeit als ein dominierender Faktor wahrgenommen werden.
Dieses Repertorium stammt allerdings ursprünglich nicht aus Bogers Feder.
Im Jahre 1886 veröffentlichte Dr. Ide aus Stettin in der ‚Zeitschrift des BerlinerVereins homöopathischer Ärzte‘ (Band 5) einen Artikel mit dem Titel ‚Die Zeiten der Arzneien‘, der bereits die Grundstruktur des späteren Bogerschen Zeit-Repertoriums aufwies. Als Quellen seiner Zeitangaben nannte Ide: G. H. G. Jahrs ‚Handbuch der Hauptanzeigen‘, Trincks ‚Handbuch der homöopathischen Arzneimittellehre‘, R. Hughes ‚Manual of Pharmacodynamics‘ P. Joussets ‚Matière Medicale‘, Herings ‚Condensed Materia Medica‘, C. Lippes Repertory, Teste, Bönninghausen, Charge und verschiedene Zeitschriftenartikel. 20 Jahre später – 1906 – veröffentlichte Dr. Ide in der gleichen Zeitschrift (Band 25) eine bearbeitete Version dieses Artikels. Auf zusätzlich verwendete Quellen verwies er nicht, lediglich vereinzelte Ergänzungen von Dr. Leeser wurden erwähnt. Diese Ausgabe von 1906 diente nun Boger als Vorlage für den zweiten Teil seines Zeit-Repertoriums. Er ergänzte und vertiefte die Angaben Ides nach seiner Erfahrung. Die Veröffentlichung beider Teile unter dem Titel ‚Times of the Remedies‘ erfolgte ab 1926 durch die IHA selbst, was die praktische Bedeutung dieser Broschüre für die Homöopathie-Gemeinschaft unterstreicht.
Der dritte Teil – der ‚Mondphasen‘-Artikel – wurde erst in der späteren indischen Ausgabe der ‚Times of the Remedies‘ hinzugefügt. Er kann nicht in die von Boger autorisierte Ausgabe integriert gewesen sein, da die entsprechende Veröffentlichung des Themas erst 1931 im ‚Homoeopathic Recorder‘ erfolgte und zudem eine weitergeführte Fassung für die ‚Times of the Remedies‘ verwendet wurde.
Hierfür versuchte Boger in einem sehr aufwändigen Experiment, die Möglichkeit eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Mittelgabe und den Mondphasen zu überprüfen. Auch hier wird der Faktor ‚Zeit‘ hervorgehoben, sodass das posthume Einbetten dieses Boger-Artikels in sein Zeitrepertorium nachvollziehbar scheint und für die deutsche Ausgabe beibehalten wurde. Auch wenn diese Ergebnisse nur eine allererste Annäherung an ein hochkomplexes Thema sein können und eine praktische Umsetzung noch weit entfernt scheint, so sensibilisiert dieser Aspekt jedoch um so mehr für das eigentliche Thema dieses Buches – die Wahrnehmung charakterisierender Zeit-Aspekte.
Mit der vorliegenden Neubearbeitung kann nun ein fehlender Baustein für die deutschsprachige Homöopathie-Praxis erschlossen werden. Vielleicht gelingt es, damit an die praktische Relevanz der ursprünglichen amerikanischen Ausgabe anzuknüpfen und der Dimension ‚Zeit‘ den ihr gebührenden, wichtigen Stellenwert bei der homöopathischen Fallanalyse einzuräumen.