Zeitgemäße Betrachtungen
oder Consolatio artis: Von der Kunst, würdevoll und heiter unterzugehen
Wolf Wucherpfennig
Nietzsche trat seiner Zeit mit ,Unzeitgemäßen Betrachtungen’ entgegen. Solch ein Titel setzt voraus, dass es eine grundsätzlich andere als die gegenwärtige Zeit geben könnte, dass es die Möglichkeit einer „guten“ Zeit des Friedens und der Schönheit gäbe. Diese Möglichkeit ist verspielt, mit einer Wandlung des Menschen ist nicht zu rechnen, ja die Versuche, eine „gute Zeit“ endgültig zu verwirklichen, haben das Unheil nur vergrößert. Die Unzeit herrscht, und um ihr furchtlos ins Auge zu sehen, bedarf es ,Zeitgemäßer Betrachtungen’. Das Buch beschreibt zunächst den Niedergang des Bildungswesens und die Auflösung lebendiger kultureller Tradition. Der Niedergang von Bildung und politischer Kultur legt einen Vergleich zwischen der Gegenwart des American Empire nebst Verbündeten mit der Spätzeit des Imperium Romanum nahe. Es zeigt sich: Der Fortschritt ist eine Illusion, und der Versuch, das reine Gute zu verwirklichen, endet bei der Verwirklichung des Bösen. Ein psychoanalytischer Blick auf den „Islamischen Staat“, eine Brüdergemeinschaft im Namen des Todes, vergleichbar dem Nationalsozialismus, unterstreicht das. Ein realistischer Blick auf die Gegenwart zwingt uns, wenn nicht den Untergang der Menschheit, so doch den der bestehenden menschlichen Zivilisation zu akzeptieren. Die Kunst kann uns helfen, dem mit einer seelischen Heiterkeit zu begegnen, die ein würdevolles Ende und den Trost der Vorläufigkeit einschließt. So kann der Freitod des Petronius arbiter, Inbild des römischen Ästheten, ein tröstliches Zeichen setzen, ebenso wie Überlegungen über das endende Menschenleben zur Zeit einer endenden Zivilisation. Auch in finsteren Zeiten – das soll das letzte Kapitel zeigen – ist die Idylle möglich.