Zum alten Ritter
Tagebücher
Tillmann Haffke, Dirk Meinzer, Jean-Luc Nancy, Annett Reckert
»Zum Alten Ritter St. Georg«. So muss eine Kneipe heißen. Nur wenige Minuten vom Hamburger Hauptbahnhof entfernt,
lädt der »Alte Ritter« in ein betagtes Haus ein. Eine Fassadenmalerei, die den drachentötenden Stadtteilheiligen zeigt, kommentiert den Namen des Etablissements. Er erinnert an das 12. Jahrhundert, als man ein Lepra- später ein Pestkrankenhaus vor den Toren der Stadt nach dem Heiligen St. Georg benannte. Ganz so weit reicht die Geschichte des Schankbetriebes nicht zurück, aber immerhin lässt sie sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Der »Alte Ritter« ist heute das, was man als eine urige Eckkneipe bezeichnen würde. Ein rustikaler Tresen, Tische, dunkles Holzinterieur. Man spielt Dart, ein Automat spendiert Knabberzeug, die Jukebox dudelt und über Sky ist auch ein Hauch Sportsbar eingezogen. Der »Ritter« ist keine Schickimicki-Kneipe. Es gibt kein Craft Beer, keine Matcha-Latte und keinen Avocado-Bagel. Im »Ritter« kann man Schnaps und Bier trinken, rauchen, reden, denken – einfach da sein.
Dirk Meinzer ist seit über zehn Jahren Stammgast im »Alten Ritter«. Arbeitet er nicht gerade in seinem niedersächsischen Landatelier in Deinste, ist der »Ritter« sein erweitertes Hamburger Wohnzimmer. Dieses Konzept teilt er trotz einer landauf, landab schwindenden Kneipenkultur mit vielen. Der Krug, die Schankstube, die Wirtschaft, die Taverne, der Pub, Orte der Einkehr, Orte des Hedonismus, aber auch der Rebellion. Wen der Tag geknebelt hat, dem ermöglicht schon das erste Kneipenbier eine kleine Flucht. Dann ist es erlaubt, einfach vor sich hin zu sinnieren, über Kümmernisse zu lamentieren oder Pläne und Visionen zu verkünden. Ungeachtet dessen, ob all dasGehör findet oder nicht. Der Wille zum Umsturz und die Tendenz zum Absturz können am Tresen nahe beieinanderliegen.