Zum Problem und zu Methoden von Musikanalyse
Wolfgang Horn, Diether de LaMotte, Gerd Rienäcker, Bettina Schlüter, Nico Schüler
Die oft zu beobachtende Ratlosigkeit gegenüber „der“ Analyse mag zu einem großen Teil auf einer Fehleinschätzung – zumeist einer Überschätzung – ihrer Rolle und ihrer Möglichkeiten beruhen. Bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Musikforschung (GfM) in Bochum 1995 wurden in der Sitzung der Fachgruppe ‚Studierende‘ die drei im vorliegenden Band abgedruckten Referate von Bettina Schlüter, Gerd Rienäcker und Diether de la Motte vorgetragen. Sie sollten jeweils auf folgende Fragen antworten:
– Gibt es eine Wahrheit in (Resultaten) der Musikanalyse?
– Was ist das Ziel einer Analyse?
– Wie erfolgt die Wahl der Methode?
– Wie ist mit den Voraussetzungen von Analyse umzugehen?
– Welchen Stellenwert sollte die methodische Reflexion in der Analyse haben?
Für den vorliegenden Band wurden drei weitere Beiträge von Wolfgang Horn, Gerd Rienacker und Nico Schaler hinzugefügt. Horn verweist darauf, daß Analyse ohne Sprache und Begriffe nicht auskommt. Wenn es „reine“ Erkenntnis der Komposition nicht geben kann, dann sind Diskussionen um Analyseverfahren nicht „absolut“, sondern nur „relativ“ im Hinblick auf Zwecke und deren Legitimation zu führen. Rienäckers ‚praktische‘ Analyse der ersten Takte von Wagners „Götterdämmerung“ ist als Beispiel für zielgerichtetes, methodische Reflexion einschließendes Analysieren gedacht. Dabei geht es nicht mehr nur um Musik allein, sondern um das Zusammenwirken mehrerer Künste im Musiktheater. Schüler gibt einen Überblick über Methoden computerunterstützter Musikanalyse. Er kommt zu dem Ergebnis, daß solche Methoden die ‚traditionellen‘ Verfahrensweisen in Abhängigkeit des Analyseziels zwar ergänzen, nicht aber verdrängen können.
„Musikanalyse“ ist keine eigenständige Disziplin, keine „an sich“ sinnvolle und in ihren Techniken ein für allemal festzulegende Tätigkeit, sondern eine Methode im ursprünglichen und nachdrücklichen Sinn des Wortes, und das heißt: der Weg zu einem Ziel, das Mittel zu einem Zwecke. Zum weiteren Nachdenken über diese einfache, aber hilfreiche Wahrheit möchte der Band anregen.
Inhalt: Wolfgang Horn: Satzlehre, Musiktheorie, Analyse. Variationen über ein ostinates Thema – Bettina Schlüter: Thesen zum Thema „Musikalische Analyse“ – Gerd Rienäcker: Nachdenken über den Sinn musikalischer Analyse – Diether de la Motte: Zu den fünf Fragen – Nico Schüler: Methoden computerunterstützter Musikanalyse – ein historischer Überblick – Gerd Rienäcker: Vorspiel zu einem Vorspiel – die ersten Takte der „Götterdämmerung“