Die europäische Durchschlagzunge fand Ende des 18. Jahrhunderts in
einer von Christian Gottlieb Kratzenstein entworfenen
Sprachmaschine ihre erste Anwendung. Nur wenige Jahre später
verbreitete sie sich auch im Orgelbau, wo sie insbesondere durch
Abbé Vogler stark propagiert wurde. Neben den charakteristischen
klanglichen Eigenschaften der Durchschlagzunge war vor allem die
Stimmstabilität bei Winddruckveränderungen für ihre Verbreitung von
großer Bedeutung, weil sie im Gegensatz zu den bisherigen
Orgelregistern mit einem Windschweller kombiniert werden konnte.
Nach ihrer anfänglichen Beliebtheit nahm die Verbreitung der
Durchschlagzunge jedoch Ende des 19. Jahrhunderts stark ab, und
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde dieser Registertyp dann innerhalb
der Orgelbewegung ganz aus den Orgelneubauten verbannt. Erst seit
Ende des 20. Jahrhunderts werden Durchschlagzungen wieder
vereinzelt in neuerbauten Orgeln berücksichtigt.
Die Frage, warum das nach seiner Erfindung zunächst so beliebte
Instrument wieder relativ schnell an Bedeutung verlor, ist das
zentrale Thema dieses Buches. Es zeigt sich, daß für den
interessanten geschichtlichen Verlauf mehrere Gründe
ausschlaggebend sind. Zum einem machten technische Verbesserungen
an Jalousieschwellersystemen und neue Klangkonzepte in der
Orgelmusik den Windschweller überflüssig. Während der Windschweller
meist auf ein bis zwei Register beschränkt ist, besteht beim
Jalousieschweller die Möglichkeit, alle Registertypen
einschließlich beliebiger Mehrfachregistrierungen mit
einzubeziehen.
Andere Gründe, die zur Verbannung der Durchschlagzunge führten,
waren eher ideologischer Natur. Hier kann vor allem die Kritik am
charakteristischen Klang der Durchschlagzunge und die Ablehnung von
fabrikmäßigen Fertigungstechniken in der Orgelbewegung aufgeführt
werden. Letzteres war für die ökonomische Herstellung von
Durchschlagzungenregistern unabdingbar. Klanganalysen, die im
Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurden, zeigen jedoch, daß die
während der Orgelbewegung kritisierten Klangeigenschaften von
Durchschlagzungen meist unzutreffend sind. So ist das
Einschwingverhalten einer hochwertigen Durchschlagzunge keineswegs
träge, und ihre Einschwingdauer liegt in der gleichen Größenordnung
wie die einer Labialpfeife. Es ist vielmehr zu vermuten, daß die
große klangliche Nähe zum verpönten Harmonium, die sich vor allem
in einer charakteristischen Frequenzanhebung im Einschwingvorgang
manifestiert, für die Ablehnung des Durchschlagzunge verantwortlich
war.
Ein nicht unbedeutender Aspekt für den Rückgang der
Durchschlagzunge ist ihre Stimmstabilität bei Temperaturänderungen.
Dadurch verstimmt sie sich relativ leicht zu den übrigen
Orgelregistern. Im Orgelbau wurde lange nicht bemerkt, daß
frequenzstabile Zungenpfeifen, wie sie in der Theorie Wilhelm
Webers hergeleitet werden, nicht wünschenswert waren. Wären die
Zungenpfeifen so konstruiert worden, daß die Grundfrequenz
hauptsächlich von der Becherlänge abhängt, hätten sich die Pfeifen
besser mit den Labialpfeifen bei Temperaturveränderungen verstimmt.
Interessanterweise wurden Anfang des 20. Jahrhunderts vereinzelt
Register einer solchen Konstruktionsweise im Abseits der gängigen
Orgelbaupraxis gebaut.
Aktualisiert: 2023-05-15
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Klaus Pietschmann: Der Fürst hört die Messe. Formen musikvermittelter Partizipation, Interaktion und Repräsentation in der höfischen LiturgieInga Mai Groote: »quod pium, quod grave, quod dignum ... compositum est« Impulse aus der Musiktheoriegeschichte für die KirchenmusikforschungChristiane Wiesenfeldt: Musik in Bewegung – Bewegende Musik. Prozessionen als musikalisierte RitualeLuigi Collarile: Die Missa super La Bataille im Zeremoniell und Repertoire der venezianischen Cappella DucaleClaudio Bacciagaluppi: »Bisogna che le messe si sfornino a guisa di mele cotte.« Giovanni Battista Pergolesis Messen – Aufträge, Aufführungen und KontextIrmlind Capelle: »mit Kuhreihen, mit Musetten- und Schalmeienklang«: Anmerkungen zu Abbé Voglers Missa pastoritiaEva Vicarová: Die Reform der Kirchenmusik in der Kathedrale in Olomouc vor dem Hintergrund des Kyrillismus in BöhmenDominik Höink: Oratorium und Säkularisierung
Aktualisiert: 2023-04-24
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Bachs gäb's viele, wurde Robert Schumann beschieden, als er sich auf die Suche nach dem Grab des Thomaskantors machte. Die Fülle möglicher Zugangsweisen verweist nicht nur auf die Vielschichtigkeit eines kompositorischen Oeuvres, sondern gerät zum Indiz für die Komplexität einer Künstlerpersönlichkeit, die auf das Bild des Thomaskantors zu verengen eine mutwillige Verengung bedeutet. Vielmehr wird "Bach" - weit mehr denn nur als Objekt eines nationalen kulturellen Gedächtnisses - auf faszinierend unterschiedlichste Weise rezipiert von Komponisten und Interpreten, zum Erinnerungsort für das Potenzial von Musik schlechthin.
Aktualisiert: 2020-11-19
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Die europäische Durchschlagzunge fand Ende des 18. Jahrhunderts in
einer von Christian Gottlieb Kratzenstein entworfenen
Sprachmaschine ihre erste Anwendung. Nur wenige Jahre später
verbreitete sie sich auch im Orgelbau, wo sie insbesondere durch
Abbé Vogler stark propagiert wurde. Neben den charakteristischen
klanglichen Eigenschaften der Durchschlagzunge war vor allem die
Stimmstabilität bei Winddruckveränderungen für ihre Verbreitung von
großer Bedeutung, weil sie im Gegensatz zu den bisherigen
Orgelregistern mit einem Windschweller kombiniert werden konnte.
Nach ihrer anfänglichen Beliebtheit nahm die Verbreitung der
Durchschlagzunge jedoch Ende des 19. Jahrhunderts stark ab, und
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde dieser Registertyp dann innerhalb
der Orgelbewegung ganz aus den Orgelneubauten verbannt. Erst seit
Ende des 20. Jahrhunderts werden Durchschlagzungen wieder
vereinzelt in neuerbauten Orgeln berücksichtigt.
Die Frage, warum das nach seiner Erfindung zunächst so beliebte
Instrument wieder relativ schnell an Bedeutung verlor, ist das
zentrale Thema dieses Buches. Es zeigt sich, daß für den
interessanten geschichtlichen Verlauf mehrere Gründe
ausschlaggebend sind. Zum einem machten technische Verbesserungen
an Jalousieschwellersystemen und neue Klangkonzepte in der
Orgelmusik den Windschweller überflüssig. Während der Windschweller
meist auf ein bis zwei Register beschränkt ist, besteht beim
Jalousieschweller die Möglichkeit, alle Registertypen
einschließlich beliebiger Mehrfachregistrierungen mit
einzubeziehen.
Andere Gründe, die zur Verbannung der Durchschlagzunge führten,
waren eher ideologischer Natur. Hier kann vor allem die Kritik am
charakteristischen Klang der Durchschlagzunge und die Ablehnung von
fabrikmäßigen Fertigungstechniken in der Orgelbewegung aufgeführt
werden. Letzteres war für die ökonomische Herstellung von
Durchschlagzungenregistern unabdingbar. Klanganalysen, die im
Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurden, zeigen jedoch, daß die
während der Orgelbewegung kritisierten Klangeigenschaften von
Durchschlagzungen meist unzutreffend sind. So ist das
Einschwingverhalten einer hochwertigen Durchschlagzunge keineswegs
träge, und ihre Einschwingdauer liegt in der gleichen Größenordnung
wie die einer Labialpfeife. Es ist vielmehr zu vermuten, daß die
große klangliche Nähe zum verpönten Harmonium, die sich vor allem
in einer charakteristischen Frequenzanhebung im Einschwingvorgang
manifestiert, für die Ablehnung des Durchschlagzunge verantwortlich
war.
Ein nicht unbedeutender Aspekt für den Rückgang der
Durchschlagzunge ist ihre Stimmstabilität bei Temperaturänderungen.
Dadurch verstimmt sie sich relativ leicht zu den übrigen
Orgelregistern. Im Orgelbau wurde lange nicht bemerkt, daß
frequenzstabile Zungenpfeifen, wie sie in der Theorie Wilhelm
Webers hergeleitet werden, nicht wünschenswert waren. Wären die
Zungenpfeifen so konstruiert worden, daß die Grundfrequenz
hauptsächlich von der Becherlänge abhängt, hätten sich die Pfeifen
besser mit den Labialpfeifen bei Temperaturveränderungen verstimmt.
Interessanterweise wurden Anfang des 20. Jahrhunderts vereinzelt
Register einer solchen Konstruktionsweise im Abseits der gängigen
Orgelbaupraxis gebaut.
Aktualisiert: 2023-04-17
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Klaus Pietschmann: Der Fürst hört die Messe. Formen musikvermittelter Partizipation, Interaktion und Repräsentation in der höfischen LiturgieInga Mai Groote: »quod pium, quod grave, quod dignum ... compositum est« Impulse aus der Musiktheoriegeschichte für die KirchenmusikforschungChristiane Wiesenfeldt: Musik in Bewegung – Bewegende Musik. Prozessionen als musikalisierte RitualeLuigi Collarile: Die Missa super La Bataille im Zeremoniell und Repertoire der venezianischen Cappella DucaleClaudio Bacciagaluppi: »Bisogna che le messe si sfornino a guisa di mele cotte.« Giovanni Battista Pergolesis Messen – Aufträge, Aufführungen und KontextIrmlind Capelle: »mit Kuhreihen, mit Musetten- und Schalmeienklang«: Anmerkungen zu Abbé Voglers Missa pastoritiaEva Vicarová: Die Reform der Kirchenmusik in der Kathedrale in Olomouc vor dem Hintergrund des Kyrillismus in BöhmenDominik Höink: Oratorium und Säkularisierung
Aktualisiert: 2023-04-24
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