Erhöhung der Reaktivität von Isocyanatklebstoffen für die Anwendung in der Holzwerkstoffindustrie

Erhöhung der Reaktivität von Isocyanatklebstoffen für die Anwendung in der Holzwerkstoffindustrie von Brinker,  Sascha
Zur Herstellung von Holzwerkstoffen werden überwiegend Harnstoff-Formaldehyd-Harze verwendet, da sie kostengünstig und leicht verarbeitbar sind, sowie hohe mechanischtechnologische Eigenschaften aufweisen. Als nachteilig sind die relativ geringe Hydrolysestabilität und die Emission des als kanzerogen eingestuften Formaldehyd zu benennen. Da seit Jahren die gesetzlichen Richtwerte für Emissionen sinken, werden Harnstoff- Formaldehyd-Harze mit angepassten Molverhältnissen hergestellt, um den Anforderungen zu entsprechen. Hierbei sinken die mechanisch-technologischen Eigenschaften, so dass auf verstärkende Komponenten, wie Melamine, Phenole oder Isocyanate zurückgegriffen werden muss. Bei Zumischung von Isocyanat zu Harnstoff-Formaldehyd-Harzen erfahren beide Klebstoffsysteme eine Beschleunigung der Aushärtungsreaktion. Dieser Effekt ist seit längerem bekannt und wird industriell angewendet; der zugrundeliegende Mechanismus dieser akzelerierten Reaktion ist dagegen noch nicht vollständig aufgeklärt. In der vorliegenden Arbeit wurde der Reaktionsmechanismus zwischen Harnstoff- Formaldehyd-Harzen und Isocyanaten zuerst mit Labormethoden untersucht. Nach Identifizierung entscheidender Faktoren wurden diese auf eine Beschleunigung reiner Isocyanatklebstoffe übertragen, da solche in der Industrie verhältnismäßig lange Presszeiten benötigen. Um die Ergebnisse der Laboruntersuchungen zu verifizieren, wurden Holzwerkstoffe (Mikrofurnierverklebung, Furniersperrholz, Span-, Faser- und Dämmplatten) im Pilotmaßstab hergestellt und die resultierenden mechanisch-technologischen Eigenschaften untersucht. Im ersten Teil wurde mittels etablierter Labormethoden der Zusammenhang der gegenseitigen Beschleunigung untersucht. Durch Differential Scanning Calorimetry, Gelierzeiten, Topfzeiten, pH-Wert Bestimmungen und Rasterelektronenmikroskopie (REM – ESEM) konnte nachgewiesen werden, dass eine Reaktion zwischen den Klebstoffen unwahrscheinlich ist. Als ausschlaggebender Faktor wurde der latente Ammoniumsulfat-Härter identifiziert. Der enthaltene Ammoniak reagiert aufgrund seiner hohen Nucleophilie früher mit den reaktiven Gruppen des Isocyanates, als mit dem freien Formaldehyd des Harnstoff-Harzes (Bildung von Hexamethylentetramin). Hierbei wird das Gleichgewicht zwischen Ammoniak und Ammonium zur Seite des Ammoniakes verschoben und Protonen freigesetzt. Diese früh generierten Protonen katalysieren die Kondensationsreaktion des Harnstoff-Harzes und VIII bewirken eine schnellere Aushärtung. Gleichfalls erfährt das Isocyanat eine Beschleunigung, da die Reaktion von Ammoniak mit den funktionellen Gruppen schneller abläuft, als die in der Holzwerkstoffproduktion typische Vernetzung über Wasser als nucleophiles Agens. Im zweiten Schritt wurden sieben ausgewählte Ammoniumsalze auf ihre Tauglichkeit zur Forcierung einer schnelleren Aushärtung bei Isoyanaten getestet. Hierbei handelte es sich um zwei thermisch labile Salze (Ammoniumcarbonat und Ammoniumhydrogencarbonat) und fünf Verbindungen, die auf dem chemischen Gleichgewicht zwischen Ammoniak und Ammonium in wässriger Lösung beruhen (Ammoniumacetat, Ammoniumchlorid, Ammoniumnitrat, Ammoniumsulfat, Di-Ammoniumhydrogenphosphat). Zur Beurteilung kamen Differential Scanning Calorimetry, Gelierzeiten, Topfzeiten, pH-Wert zum Einsatz. Es zeigte sich, dass die Carbonate sehr schnell reagieren und eine große Affinität zum Schäumen aufweisen. Die Wirkung der anderen Salze hing von der Säurestärke (pKs-Wert) des Säurerestions ab. Je höher der pKs-Wert war, desto weniger trugen die Verbindungen zu einer schnelleren Reaktion bei. Mit Solid-State-NMR und isotopenmarkiertem Ammoniak konnte dessen Inkooperation in das Isocyanatpolymer nachgewiesen werden. Um die Praktikabilität der verschiedenen Salze zu überprüfen, wurden im dritten Schritt verschiedene Holzwerkstoffe hergestellt. Mittels des Automated-Bonding-Evaluation- Systems wurde die generelle Realisierbarkeit anhand der Carbonate und Mikrofurnierverklebung überprüft und positiv bewertet. Es folgte die Herstellung von Furniersperrhölzern mit allen ausgewählten Salzen zur Validierung der Laborergebnisse. Hierbei bestätigten sich die bereits erhobenen Daten. Zur Herstellung von Faser- und Spanplatten wurden die Ammoniumcarbonate, sowie Ammoniumacetat und Di- Ammoniumhydrogenphosphat ausgewählt. Eine breite Variation der Pressparameter (Presszeit und Presstemperatur) und die anschließende Bestimmung der mechanisch-technologischen Eigenschaften der plattenförmigen Werkstoffe konnte die postulierte Beschleunigung der Härtungsreaktion nachweisen. Anhand von Biegefestigkeit und E-Modul, Querzug- und Kochquerzugfestigkeit, Scherzugfestigkeit und Wasseraufnahme wurden die charakterisierenden Werte ermittelt. Die durchgeführten Versuche der vorliegenden Arbeit legen nahe, dass Harnstoff- Formaldehyd-Harzen und Isocyanaten keine gemeinsamen Netzwerke ausbilden und die gegenseitige Beschleunigung auf der Anwesenheit von latenten Ammoniumhärtern beruht. Zur Akzeleration reiner Isocyanate durch unterschiedliche Ammoniumsalze konnte eine Theorie IX entwickelt und durch zahlreiche Untersuchungen belegt werden. Ammoniumacetat und Di- Ammoniumhydrogenphosphat erwiesen sich als die potentesten Beschleuniger, die Carbonate können aufgrund der starken Neigung zum Schäumen nicht empfohlen werden; Spezialanwendungen sind denkbar. Bei der Holzwerkstoffherstellung konnte eine Presszeitverringerung von bis zu 35 % bei äquivalenten oder besseren mechanischtechnologischen Eigenschaften im Vergleich zur Referenz erreicht werden. Dies ermöglicht eine nicht zu vernachlässigende Energieeinsparung und eine Erhöhung der Produktionskapazitäten bei relativ geringem Einsatz.
Aktualisiert: 2022-02-24
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