Das Evangelium zu verkündigen, das war für Paulus im Brief an die Römer (10,9) und an die Korinther (15) vor allem das Zeugnis von der Auferstehung Christi. Sie steht im Zentrum christlichen Glaubens. Dennoch sind die Aussagen über die Auferstehung in den Evangelien nur knapp. Der Auferstandene ist der von Gott zum Himmel Erhöhte. Wie dies geschah, darüber schweigen die Texte. Drei Elemente sind es, die die Berichte markieren: das geöffnete, leere Grab, die drei Frauen, die den Toten nicht mehr finden und die Botschaft des Engels, dessen Erscheinen bei Matthäus (28) von Erdbeben, Blitzen und Licht begleitet wird.
Die Bildgeschichte der Auferstehung ist eine Geschichte der Auslegung dieser Texte und der Theologie. In der lateinischen Liturgie wurde seit Gregor dem Großen, um 600 also, am Ostermorgen das Markusevangelium (16) gelesen mit dem schlichten Satz des Engels: „Er ist auferstanden, er ist nicht hier“. Dies bleibt neben der Visualisierung des Hinabstiegs „in das Reich des Todes“ das Osterbild der Kirche bis zum späten Mittelalter. Aus Frömmigkeitsbildern eines aus dem Grab aussteigenden Schmerzensmanns entwickelte sich die zentrale Neudeutung der Auferstehung bei Matthias Grünewald. Er zeigt in seinem Isenheimer Altar den Vorgang der Auffahrt aus dem Grab als Lichterscheinung. Dieses großartige Bild bestimmt das Bilddenken und die Ikonografie der Auferstehung bis heute. Es hat in der Kunst der Neuzeit eine Fülle von Nachahmungen gefunden. Oft geschieht dies mit einem unsensiblen Realismus.
Doch solche Bilder prägen bis heute unsere Vorstellungen über Ostern und die Auferstehung. Die zu Tode erschrockenen Wächter, die nach dem Matthäus-Evangelium (28,4) bei der Erscheinung des Engels zu Boden stürzen, sehen wir nicht zuletzt wegen der Bilder beim Vorgang einer dramatisch vorgestellten Auferstehung. Entsprechen diese Bilder heute unserem Glauben und können sie eine gültige Formulierung dessen sein, was die Texte so behutsam im Bereich des ungegenständlichen Glaubens belassen? Oder sind sie längst „überholt“? Schon seit dem 19. Jahrhundert haben sich Künstler immer wieder mit den Möglichkeiten einer Neuformulierung des Auferstehungsbildes befasst. Symbolisierung und Abstraktion sind besonders geeignet, der Aporie zu entgehen, einen physischen Vorgang, der sich dem Nachvollzug entzieht und der nach den Bildregeln seit Augustinus zu den nicht darstellbaren Bereichen gehört, zu thematisieren. Es geht heutiger Kunst darum, nicht die Auferstehung zeigen, sondern so darüber zu „sprechen“, dass Raum bleibt für einen Glauben, der nicht auf Irrwege führt, indem nicht die Realien eines „verklärten“ Leibes, einer unsicheren Terminierung, physischer Unmöglichkeiten und konkreter Abläufe gezeigt werden, sondern das Glaubensgeheimnis in der Offenheit des wortlosen Zeichens verbleibt.
Kurt-Peter Gertz stellt hier eine Sammlung von einigen eindrucksvollen Beispielen des Zugangs zum Ostergeheimnis in der aktuellen Kunst vor und interpretiert sie. Sie können zu einer neuen Sicht, zu einem neuen Nachdenken beitragen und so das zentrale Ereignis christlichen Glaubens für den je einzelnen Betrachter aktualisieren.
© Thomas Sternberg
Aktualisiert: 2019-09-30
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