Editorial
Eine Gruppe engagierter Riesling-Enthusiasten fand sich am Vorabend des diesjährigen Internationalen Riesling Symposiums ISR auf Kloster Eberbach in Geisenheim zusammen. Mit dem Rhein im Rücken, Panoramablick in den Rheingau und der monumentalen Benediktinerinnenabtei St. Hildegard im Westen erläuterte der Präsident der Hochschule Geisenheim, Prof. Dr. Hans Reiner Schultz, das FACE-Experiment (Free Air Carbon Dioxide Enrichment) für Spezialkulturen. Unterhalb der Weinberge der Hochschule Geisenheim am Eibinger Weg wurden vor einem Jahrzehnt auf einer fast ebenen Fläche Rebzeilen in nordsüdlicher Ausrichtung mit Riesling und Cabernet Sauvignon bestockt. Inmitten der Rebflächen stehen sechs Ringsysteme mit einem Durchmesser von zwölf Metern aus mehr als mannshohen Einzelelementen, an deren Spitze Steuerungen, Ventilatoren und Messgeräte angebracht sind. Es sirrt und flirrt, als wäre ein Schwarm Drohnen im Anflug. In Abhängigkeit von Windrichtung und -intensität schwillt die Geräuschkulisse an oder reduziert sich zu einem dezenten Säuseln. Innerhalb dreier Kreise wird eine CO2-Konzentration erzeugt, die der für 2050 prognostizierten CO2-Luftkonzentration entspricht, drei Kreise dienen der Kontrolle. Das Interesse der Forscherinnen und Forscher ist vielfältig. Wie wirken sich die modifizierten und mutmaßlich schon bald realen Bedingungen auf Boden und Wachstum der Reben aus? Zu welchen Wechselwirkungen kommt es mit den Pflanzen und möglichen Schaderregern? Letztlich steht die Frage nach den Auswirkungen auf die Qualität von Wein im Blickpunkt, der durch die Inhaltsstoffe der Trauben bestimmt wird. Schultz machte deutlich, dass die Veränderungen der Reben sich im Bereich der Epigenetik abspielen. Die Grundlagenforschung zur Epigenetik läuft in Biologie und Medizin auf Hochtouren und ist mit großen Erwartungen verknüpft. Denn für die prognostizierten, recht schnellen Reaktionen der Pflanzen auf die veränderten Umweltbedingungen ist das überkommene Verständnis der DNA-Sequenz nicht hinreichend. Sie beschreibt »nur« die festgelegten, harten, nicht mehr veränderbaren Veränderungen bei DNA-Mutationen.
Die Epigenetik eröffnet neue Perspektiven. Sie umfasst Genregulationen, die durch Versorgung und Stoffwechselumsatz in den Zellen, Hormone, Stress und die Einflüsse der Umwelt ausgelöst werden, indem Enzyme aktiviert werden. Enzyme ihrerseits spielen eine entscheidende Rolle bei der räumlichen Organisation der Erbinformationen und sind in der Lage, Gene an- oder abzuschalten. Die Forschung erkundet Wege zur normalen Entwicklung von Zellen und deren Reprogrammierung oder sucht nach Mechanismen, die fehlgesteuerte Signale auslösen, die zu Krebs, Stoffwechsel- oder neurodegenerativen Krankheiten führen. Seit nicht einmal zwanzig Jahren ist bekannt, dass Vererbungen nicht nur durch Veränderungen an der DNA, sondern eben auch an der Peripherie der Gene an kommende Generationen weitergegeben werden können. Enzymatisch bedingte Effekte sind allerdings nicht dauerhaft und können wieder verändert werden. Die Vererbbarkeit von erworbenen Eigenschaften reicht über zwei oder drei Generationen, dann fällt ihr Zustand in den ursprünglichen zurück. Versuche zur Nahrungsaufnahme – zum größten Teil an kleinen Modellorganismen wie Fruchtfliegen, Fadenwürmern und auch Mäusen – haben das zeigen können. Gegenwärtig arbeiten allein in Deutschland knapp zwei Dutzend Arbeitsgruppen daran, die epigenetischen Mechanismen zu erkunden und zu beschreiben. Wir halten die Epigenetik aktuell für eines der wichtigsten und spannendsten Forschungsgebiete nicht nur für die Medizin, sondern auch für die allgemeine Ernährungspraxis. Das betrifft direkte Ernährungsempfehlungen und -anweisungen ebenso wie indirektere Wege über die Pflanzen- und Tierzucht. Um einen ersten Eindruck zur Epigenetik zu vermitteln, haben wir Ihnen im Fokus drei Beiträge mit unterschiedlichen Positionen und Ansätzen zusammengestellt. Sie eröffnen eine gute, auch spannungsreiche Bandbreite des Umgangs mit den erweiterten Vorstellungen von Vererbung.
Das Journal Culinaire hat im Laufe seiner jetzt vorliegenden 34 Ausgaben zahlreiche größere und kleinere Wandlungen erlebt. Die augenfälligste ging einher mit dem Wechsel in der Chefredaktion ab Heft No. 4 im Frühjahr 2007. Die prägnante Neugestaltung durch Elmar Lixenfeld war auf der inhaltlichen Ebene mit einigen Weiterentwicklungen verbunden. Die nahm in den folgenden Jahren einige Fahrt auf. Mit der Ausgabe No. 12 fand das Konzept einen relativen Abschluss. Seither hat der Inhalt des Journal Culinaire eine klare Struktur: Das Titelthema jeder Ausgabe findet sich im Fokus, weitere Beiträge aus der Welt der Kulinarik haben im Forum ihren Platz, hinzu gesellen sich einige Rezensionen. Viele erinnern sich an markante Titelthemen des Journal Culinaire wie Fermentation, Brot backen oder Fette und Öle. Doch machen die zahlreichen und wichtigen Beiträge in den Foren eine Ausgabe des Journal Culinaire erst »rund«, öffnen Perspektiven und setzen Maßstäbe.
Aktualisiert: 2022-06-23
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Vor zwei Jahren erschien in der »Naturkunden«-Reihe im Berliner Matthes-und-Seitz-Verlag das Büchlein »Algen«. Darin zeichnet Miek Zwamborn ein erzählerisch begeisterndes und sensibles Algenporträt von informativer Dichte. Konturen einer nahezu verborgenen Welt erscheinen, wecken Aufmerksamkeit und ein gesteigertes Interesse, aus der Perspektive des Journal Culinaire genauer hinzuschauen.
Der Befund: Nori als Hüllpapier für Sushi und Wakame, der knallgrüne Fertigsalat, meist mit geröstetem Sesam – im Vergleich zu der allgegenwärtigen und vielfältigen Präsenz in Japan sind Algen in unseren Küchen eher selten anzutreffen. – Eine Foodscoutin aus der Nähe von Hamburg, die ein breites Spektrum vor allem japanischer Algen vorhält, berichtet vom Interesse der Hochgastronomie, Algen immerhin als interessante Dekoelemente zu nutzen. – Der Historiker Carsten Jahnke, der als Associate Professor am SAXO-Institut für Archäologie, Ethnologie und Geschichte der Universität Kopenhagen fast ein Jahrtausend des nördlichen Europa überblickt, winkt gänzlich ab: Einen historischen Genuss von Algen könne er in den Quellen nicht nachweisen.
Anders an der französischen Atlantikküste: 2013 erschien in der Bretagne ein »Guide de Bonnes Pratiques« zur »Récolte des Algues de Rive«. Praxisorientiert werden die guten – und schlechten – Vorgehensweisen bei der Bio- Algenernte zusammengetragen. Großalgen werden detailliert vorgestellt, Regeln für die Ernte der Algen an der Küste formuliert und Hinweise gegeben, wie man zum Bio-Algenernter wird; nicht zuletzt wird eindringlich der Schutz der Umwelt eingefordert. Karten geben eine erste Orientierung, welche französischen Küstenabschnitte für biokonforme Aktivitäten infrage kommen. Insgesamt ist der Guide ein überzeugendes Dokument für die Bedeutung von Algen in Frankreich, nicht zuletzt in kommerzieller Hinsicht (Download unter: www.bio-bretagne-ibb.fr).
Magali Molla erwartet uns auf ihrem Betriebsgelände in einem kleinen Industriegebiet von Saint-Méloir-des-Ondes zwischen Cancale und Saint-Malo. Mitte Oktober läuft die Ernte auf Hochtouren. Auf zahlreichen Metallständern trocknen lange Algenstreifen. In einem schmucklosen Hallenkubus sind Kabinen zur Algenanzucht eingestellt. Seit fast zwei Jahrzehnten arbeitet sie mit ihrem Mann an der Zucht von Großalgen an Leinen in den Küstengew.ssern der Bretagne. Die Aussichten sind rosig. Gerade haben sie eine weitere Dependance in Cancale eröffnet, Zuchten in Irland und Norwegen werden aufgebaut. Sie wird uns ihre Arbeit im Journal Culinaire No. 34 vorstellen.
Knapp vier Kilometer nördlich, im Château Richeux, dem Restaurant »Le Coquillage« der Familie Roellinger mit direktem Blick auf die Bucht des Mont-Saint-Michel, wird als erster Gang ein »Eau de Vie« annonciert: In einem irdenen Teeschälchen liegen einige hauchzarte, in dunklen Tönen schillernde Algen-Streifchen; vereinzelt sind gelbe Sprenkel von einem Zitrusfrucht- Abrieb zu erkennen. Aus einem Porzellankännchen wird eine kalte, wasserklare Flüssigkeit angegossen. Ein zarter Duft breitet sich aus, als habe man das Fenster zum Meer tatsächlich geöffnet. Die Verkostung bestätigt den Duft-Eindruck. Er wird durch Salz und umami geschmacklich ergänzt. Ab und an blendet das unverwechselbare Yuzu-Aroma des Abriebs durch: Das ungewöhnliche »Wasser des Lebens« zaubert ein Lächeln aufs Gesicht. Aromatisch und überaus fein verbindet es den Ort und die Weite der Aromawelt, für die Olivier Roellinger mit seinen hochwertigen Gewürzen berühmt ist.
Gut zweihundert Kilometer weiter nordöstlich, im flandrischen Teil Frankreichs unweit der Kanalküste, kommt als Teil des Grußes aus der Küche von »La Grenouillère« ein zartes Wachtelei mit einer samtigen, grasgrünen Oberfläche an den Tisch. Es ist ein feines Algenpulver, mit dem Alexandre Gauthier das Ei auf unnachahmliche Weise würzt, ein unprätentiöses, spielerisches Kleinod fürs Auge, für den Geschmack und die Nase.
Die Algenzucht in den deutschsprachigen Ländern hat wenig kulinarische Ambitionen und findet an Land statt. 2006 etablierte Prof. Klaus Lüning eine erste Makroalgen-Zucht auf Sylt, doch werden zunehmend und an zahlreichen Orten vor allem Mikroalgen in landbasierter Kultivierung gewonnen. Forschungen fokussieren sich in der ganzen EU auf Nahrungsergänzungsmittel sowie pharmazeutische und kosmetische Anwendungen.
Algen müssten uns viel näher und sympathischer sein, als sie es im Alltag tatsächlich sind. Oxyphotobacteria waren es schließlich, die die Photosynthese erfanden, Grundlage allen Lebens auf unserem Planeten. Die dynamische Forschung und Entwicklung für vielfältige Anwendungen von Algen ist unaufhaltsam. Doch eine kulinarisch orientierte Algenkultur zeichnet sich nicht ab. Vielleicht nehmen Sie die Lektüre des Journal Culinaire zum Anlass, Algen genießen zu lernen?
Aktualisiert: 2022-01-27
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