Das Menschenbild in der biblischen Urgeschichte und in ihren altorientalischen Parallelen

Das Menschenbild in der biblischen Urgeschichte und in ihren altorientalischen Parallelen von Kim,  Sang-Kee
Die biblische Urgeschichte Gen 1,1-11,9 wird religionsgeschichtlich und erzählerisch untersucht. Sie wird im Ganzen als Mythos im Sinne einer Urzeiterzählung angesehen. Die biblische Urgeschichte will vom Ursprung her die Existenz des Menschen und der Welt in ihrer Widersprüchlichkeit erklären und bejahen. Dabei geht es um die widersprechenden Grundbedingungen, die die gegenwärtige Existenz des Menschen in der Welt bestimmen. Die biblische Urgeschichte verliert als Mythos nicht ganz diesen unmittelbaren Gegenwartsbezug, obgleich dieser gerade wegen der sie kennzeichnenden Geschichtsbezogenheit abgeschwächt wird. In der "jahwistischen" Urgeschichte wird der Mensch zwar als Wesen mit Möglichkeit zur Sünde dargestellt. Aber sie beschreibt weder den Menschen einfach als "Sünder" noch seine Geschichte als die der "Sünde". Für sie handelt es sich eher um den Gewöhnungsprozeß Gottes zu seinem menschlichen Geschöpf. Der kommt am Ende der Flutgeschichte zum Klimax. Die positiven, von Gott geschenkten wie die negativen, von Gott verhängten Elemente gehören mit zu den Grundbedingungen des menschlichen Daseins. Diese Ambivalenz des menschlichen Daseins wird auch durch die Beziehung des Menschen und der Erde bzw. dem Ackerboden ausgedrückt, wobei die Aufmerksamkeit besonders auf die Zusammengehörigkeit von Mensch und Erde erregt wird. Dieser Punkt wurde bisher noch nicht genügend beachtet. Der Mensch wird wegen der zu bebauenden Erde erschaffen und bekommt durch die zeitlich begrenzte Existenz der Erde eine gewisse Daseinsgarantie; Gott wird um der Erde willen den Menschen mit seinem Hang zur Bosheit, wie er ist, akzeptieren. Die priesterschriftliche Urgeschichte stellt die Gottesebenbildlichkeit des Menschen in den Mittelpunkt ihrer Darstellung. Diese wird in Gen 1,26 funktional, d.h. in Bezug auf einen Daseinsauftrag verstanden. Dagegen wird der Nachdruck in 5,3 mehr auf die Familienähnlichkeit von Vater und Sohn gelegt, was bisher übersehen wurde. So kann sie das Verhältnis von Gott und Mensch eher als das von Vater und Sohn beschreiben. Anders als in beiden biblischen Urgeschichten wird die Erschaffung des Menschen in den altorientalischen Parallelen wie z.B. dem Atramhasis -Mythos dadurch veranlasst, die Götter von der notwendigen Arbeit an der harten Naturgegebenheit und dem dadurch bedingten Konflikt zwischen ihnen zu befreien. Insofern hat sie eine kosmische Funktion, nämlich die durch die Götter repräsentierte Weltordnung zu stabilisieren. Die Funktion des Menschen, die die biblische Schöpfungserzählung dem Menschen zuschreibt, ist eher eine innerweltlich ordnende Funktion.
Aktualisiert: 2023-05-15
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Das Menschenbild in der biblischen Urgeschichte und in ihren altorientalischen Parallelen

Das Menschenbild in der biblischen Urgeschichte und in ihren altorientalischen Parallelen von Kim,  Sang-Kee
Die biblische Urgeschichte Gen 1,1-11,9 wird religionsgeschichtlich und erzählerisch untersucht. Sie wird im Ganzen als Mythos im Sinne einer Urzeiterzählung angesehen. Die biblische Urgeschichte will vom Ursprung her die Existenz des Menschen und der Welt in ihrer Widersprüchlichkeit erklären und bejahen. Dabei geht es um die widersprechenden Grundbedingungen, die die gegenwärtige Existenz des Menschen in der Welt bestimmen. Die biblische Urgeschichte verliert als Mythos nicht ganz diesen unmittelbaren Gegenwartsbezug, obgleich dieser gerade wegen der sie kennzeichnenden Geschichtsbezogenheit abgeschwächt wird. In der "jahwistischen" Urgeschichte wird der Mensch zwar als Wesen mit Möglichkeit zur Sünde dargestellt. Aber sie beschreibt weder den Menschen einfach als "Sünder" noch seine Geschichte als die der "Sünde". Für sie handelt es sich eher um den Gewöhnungsprozeß Gottes zu seinem menschlichen Geschöpf. Der kommt am Ende der Flutgeschichte zum Klimax. Die positiven, von Gott geschenkten wie die negativen, von Gott verhängten Elemente gehören mit zu den Grundbedingungen des menschlichen Daseins. Diese Ambivalenz des menschlichen Daseins wird auch durch die Beziehung des Menschen und der Erde bzw. dem Ackerboden ausgedrückt, wobei die Aufmerksamkeit besonders auf die Zusammengehörigkeit von Mensch und Erde erregt wird. Dieser Punkt wurde bisher noch nicht genügend beachtet. Der Mensch wird wegen der zu bebauenden Erde erschaffen und bekommt durch die zeitlich begrenzte Existenz der Erde eine gewisse Daseinsgarantie; Gott wird um der Erde willen den Menschen mit seinem Hang zur Bosheit, wie er ist, akzeptieren. Die priesterschriftliche Urgeschichte stellt die Gottesebenbildlichkeit des Menschen in den Mittelpunkt ihrer Darstellung. Diese wird in Gen 1,26 funktional, d.h. in Bezug auf einen Daseinsauftrag verstanden. Dagegen wird der Nachdruck in 5,3 mehr auf die Familienähnlichkeit von Vater und Sohn gelegt, was bisher übersehen wurde. So kann sie das Verhältnis von Gott und Mensch eher als das von Vater und Sohn beschreiben. Anders als in beiden biblischen Urgeschichten wird die Erschaffung des Menschen in den altorientalischen Parallelen wie z.B. dem Atramhasis -Mythos dadurch veranlasst, die Götter von der notwendigen Arbeit an der harten Naturgegebenheit und dem dadurch bedingten Konflikt zwischen ihnen zu befreien. Insofern hat sie eine kosmische Funktion, nämlich die durch die Götter repräsentierte Weltordnung zu stabilisieren. Die Funktion des Menschen, die die biblische Schöpfungserzählung dem Menschen zuschreibt, ist eher eine innerweltlich ordnende Funktion.
Aktualisiert: 2023-04-17
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