Einleitung
Das Manövrierverhalten von Schiffen gewinnt bei den Anforderungen, die an ein neu zu konzipierendes Schiff gestellt werden, immer mehr an Bedeutung. Das resultiert weniger aus den leicht erfüllbaren und eher unzureichenden Vorschriften der IMO (International Maritime Organization)[42] u.a. für Drehkreisdurchmesser oder Anhaltewege in Notsituationen, als vielmehr aus den steigenden Bedürfnissen der Schiffsbetreiber. Zum Beispiel wird üblicherweise im Bauvertrag festgelegt, bei welcher Windstärke das Schiff noch in der Lage sein muss, selbstständig quer anzulegen (crabbing). Das setzt voraus, dass Manövriereinrichtungen wie Bug-, Heckstrahler
und Ruder dementsprechend ausgelegt sind. Das Beschleunigungsvermögen ist in manchen Fällen auf der Probefahrt nachzuweisen. Daf¨ur ist dann nicht nur die Hydrodynamik, d.h. die Umströmung des Schiffes und das Verhalten des oder der Schiffspropeller maßgeblich, sondern auch die Maschinenanlage und deren Automation. Zunehmend wird aber nicht nur das Manövrierverhalten in deterministischen Szenarien Gegenstand der Optimierung im Schiffsentwurf,
sondern auch das schwer zu beurteilende Manövrierverhalten in nautisch komplexen
Umgebungen (z.B. Strömung, Wind, Untiefen). Für diese Szenarien fällt es schwer, quantifizierende Kriterien anzugeben. Vielmehr hängt die Entscheidung, ob sich ein Schiff in einer bestimmten Umgebung gut oder schlecht verhält, oft allein vom schwer quantifizierbaren Eindruck des Nautikers ab (z.B. Abbildung 1.1.) Insgesamt wird die Einhaltung der Anforderungen bezüglich der Manövrierfähigkeit f¨urWerften
Abbildung 1.1: RoRo-Schiff bei der Schleuseneinfahrt in Immingham, GB.
c DFDS-TOR LINE zum Risikofaktor, den es zu minimieren gilt. Deshalb wäre es wünschenswert, schon im frühen Entwurfsstadium eine möglichst zuverlässige Prognose über das Manövrierverhalten abgeben zu können. Das beinhaltet sowohl deterministische Szenarien, wie Drehkreise oder Zickzack-Manöver, als auch das Verhalten in den oben erw¨ahnten komplexen Umgebungen.
Darüber hinaus muss natürlich gewährleistet sein, dass das Schiff gierstabil ist, da instabile Schiffe auf Grund der ständig notwendigen Ruderaktivitäten einen erhöhten Widerstand und letztlich größeren Brennstoffverbrauch aufweisen. Weiterhin kann eine im Entwurfsstadium nachgewiesene gute Manövrierbarkeit ein Wettbewerbsvorteil sein, durch den ein Unterschied im Angebotspreis teilweise ausgeglichen werden kann. Schiffe mit guten Manövriereigenschaften können häufig auf Schlepperhilfe verzichten, wodurch ein zusätzlicher Zeit- und Kostenvorteil entsteht. Der Nachweis hierfür kann dadurch erbracht werden, dass der potenzielle Schiffsführer schon im Projektstadium in die Planung mit einbezogen wird, und dann in Schiffsführungssimulatoren verschiedene Entwurfsvarianten vergleichen kann. Dadurch können die Auswirkungen von Entwurfsänderungen auf die Betriebskosten (z.B. durch den Verzicht auf Schlepperhilfe beim Anlegen) berechnet werden. Ein weiterer Aspekt ist die Möglichkeit, durch gute Manövriereigenschaften einen Sicherheitsgewinn zu erzielen.
Zusätzlich kann die Auswirkung verschiedener Ruderentwürfe auf das Manövrierverhalten simuliert werden. Außerdem kann bei Einbeziehung der Schiffsmaschinenanlage in die Simulation ein besseres Verständnis f¨ur die Zusammenhänge von Maschinenautomation und Manövrierverhalten entstehen. Dadurch wird es möglich, schon im frühen Entwurfsstadium genauere Anforderungen
an Zulieferunternehmen, wie Maschinen- und Automationshersteller, zu stellen. Alles
in allem kann für den Kunden ein betr¨achtlicher Betriebskostenvorteil und Sicherheitsgewinn mit relativ niedrigem Aufwand für die Bauwerft erzielt werden.
Zu diesem Zweck wird in dieser Arbeit ein bestehendes Simulationsprogramm für Schiffsmanöver erweitert und verbessert. Die Zeitbereichssimulation basiert auf einem Kraftmodell. Die Simulation auf der Basis eines Koeffizientenmodells erschien deshalb nicht sinnvoll, weil der Einsatz dieser Modelle Daten aus Manövrierversuchen voraussetzt, die in der frühen Projektphase nicht durchgeführt werden.
Mit der erstellten Methode ist es mit geringem Aufwand möglich, in der Entwurfsphase mit den in einer Datenbank vorhandenen Schiffsdaten eine Manövriersimulation durchzuführen und Designalternativen zu vergleichen. Es ist hierfür nicht notwendig, kostenintensive Manövrierversuche im Modellmaßstab durchzuführen, bei denen der Maßstabseinfluss (z.B. Reynoldszahl der Ruderumströmung) eine ¨Ubertragung auf die Großausführung erschwert. Es werden lediglich Daten benötigt, die im Entwurfsprozess ohnehin ermittelt werden müssen (z.B. Schiffswiderstand, Ruderkräfte, Propellerfreifahrtdiagramme). Die übrigen Rumpfkräfte werden mit Hilfe
der Theorie schlanker Körper berechnet. Für die Modellierung der Ruderkräfte wird ein potenzialtheoretisches Verfahren mit integriertem Traglinienmodell verwendet.
Die Manövrierbarkeit eines Schiffes wird zu einem großen Teil durch die hydromechanischen Eigenschaften von Rumpf, Propeller und Ruder festgelegt. Ein weiterer wichtiger Faktor ist darüber hinaus das Verhalten der Maschinenanlage und der dazugeh¨origen Automation. Speziell bei Stopp- und Beschleunigungsmanövern ist das Verhalten der Antriebsanlage ausschlaggebend für das gesamte System.
Schwerpunkt dieser Arbeit sind die Implementierung eines Modells zur Simulation der Automation der Antriebsanlage, die Verbesserung des Propellermodells sowie die Analyse der Propeller-Rumpf-Interaktion, dem Sog, bei Umsteuermanövern. Diese Schritte sind notwendig, um die Prognose der bereits durchführbaren Manöver, wie z.B. Drehkreise oder Zickzack-Manöver, zu verbessern und die realistische Gesamtsystemsimulation von Stopp- und Beschleunigungsmanövern zu ermöglichen.
Das implementierte Modell soll in der Lage sein, sowohl das Verhalten von Vier- als auch Zweitaktdieselmotoren sowie das von dieselelektrischen Antrieben zu simulieren. Für die Propulsion kann die Maschinenanlage sowohl mit Fest- (FPP) als auch mit Verstellpropellern (CPP) kombiniert werden. In dieser Arbeit wird ein Hauptaugenmerk auf das möglichst realistische Verhalten der Verstellpropellerautomation gelegt, die bei Extremmanövern (Notstopp, Beschleunigung, Hafenmanöver) maßgeblich ist. Dazu muss das transiente Verhalten bei Notstopp- und Beschleunigungsmanövern analysiert werden. Zu diesem Zweck werden u.a. Bordmessungen des Anlagenverhaltens ausgewertet und detaillierte Informationen von Automationsanlagen- und
Maschinenherstellern verwendet. Zusätzlich wird ein Modell implementiert, das es ermöglicht, das Manövrierverhalten von Doppelendfähren zu untersuchen, um auch hier verschiedene Entwurfsvarianten vergleichen zu können. Eines der Ziele hierbei ist es, verschiedene Strategien zur Durchführung von Stopp und Beschleunigungsmanövern zu untersuchen. Dabei steht die Verstellpropellerautomation
des Bugpropellers im Vordergrund. Ferner werden verschiedene Regelungsstrategien und deren Auswirkungen auf das Beschleunigungs- und Notstoppverhalten des Schiffes miteinander verglichen. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ergibt sich beim Vergleich zwischen simulierten und berechneten Notstoppmanövern. Die auftretenden Diskrepanzen werden näher untersucht und mit dem unzureichenden Propellersogmodell begründet. Um diesen Effekt zu analysieren, wird eine Methode zur Berechnung der Propellerwirkung auf die Rumpfumströmung erstellt. Die
Modellbildung für die Software findet in Anlehnung an das oben erwähnte Modell zur Berechnung der Ruderkräfte statt. Es muss beispielsweise das Traglinienmodell für die Berechnung der induzierten Geschwindigkeiten stromaufwärts erweitert werden. Die oben genannten Modelle für die Sogberechnung, die Propellerkräfte und nicht zuletzt für die Antriebsanlagenautomation werden entwickelt und getestet. Anschließend werden die simulierten Manöver mit den Daten aus Probefahrtsmessungen von Großausf¨uhrungen verglichen. Hierzu steht umfangreiches Datenmaterial für Ein- und Zweischrauber zur Verfügung.
Aktualisiert: 2023-04-05
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