»Der Begriff des Vermittlers entstammt der vergleichenden Literaturwissenschaft; deren Ausgangspunkt ist die Existenz verschiedener Nationalliteraturen mit jeweils besonderen Entwicklungsgesetzen und eigener Geschichte. Der Vermittlerbegriff bezeichnet in diesem Zusammenhang meist ausgleichende Figuren europäisch-demokratischen Geistes, vor allem zwischen den Nationen, die durch geschichtliche Konflikte einander entfremdet wurden. Seit Madame de Stael und Heine, seit den Napoleonischen Kriegen sind Deutschland und Frankreich bevorzugte Pole einer solchen Vermittlung, die nach 1871, 1918 und 1945 immer wieder notwendig wurde. Seit jener Zeit auch gab es etwas auszutauschen. Die Vermittler waren gewöhnlich von der einen Kultur geprägt, ehe sie eine Bewegung der anderen stellvertretend und antizipierend für ihre Landsleute entdeckten. So übersetzte Benjamin Baudelaire und Proust im Geiste einer Aneignung des Fremden, wie vor ihm George, wenn auch die Sprachmystik der >Aufgabe des Übersetzers< schon in Joyceschem Geiste mittels des Fremden am Eignen rüttelt. Und noch Adornos Verhältnis zu Valery und Proust trägt diese Züge.«
Aktualisiert: 2023-05-11
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»Der Begriff des Vermittlers entstammt der vergleichenden Literaturwissenschaft; deren Ausgangspunkt ist die Existenz verschiedener Nationalliteraturen mit jeweils besonderen Entwicklungsgesetzen und eigener Geschichte. Der Vermittlerbegriff bezeichnet in diesem Zusammenhang meist ausgleichende Figuren europäisch-demokratischen Geistes, vor allem zwischen den Nationen, die durch geschichtliche Konflikte einander entfremdet wurden. Seit Madame de Stael und Heine, seit den Napoleonischen Kriegen sind Deutschland und Frankreich bevorzugte Pole einer solchen Vermittlung, die nach 1871, 1918 und 1945 immer wieder notwendig wurde. Seit jener Zeit auch gab es etwas auszutauschen. Die Vermittler waren gewöhnlich von der einen Kultur geprägt, ehe sie eine Bewegung der anderen stellvertretend und antizipierend für ihre Landsleute entdeckten. So übersetzte Benjamin Baudelaire und Proust im Geiste einer Aneignung des Fremden, wie vor ihm George, wenn auch die Sprachmystik der >Aufgabe des Übersetzers< schon in Joyceschem Geiste mittels des Fremden am Eignen rüttelt. Und noch Adornos Verhältnis zu Valery und Proust trägt diese Züge.«
Aktualisiert: 2023-05-11
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»Der Begriff des Vermittlers entstammt der vergleichenden Literaturwissenschaft; deren Ausgangspunkt ist die Existenz verschiedener Nationalliteraturen mit jeweils besonderen Entwicklungsgesetzen und eigener Geschichte. Der Vermittlerbegriff bezeichnet in diesem Zusammenhang meist ausgleichende Figuren europäisch-demokratischen Geistes, vor allem zwischen den Nationen, die durch geschichtliche Konflikte einander entfremdet wurden. Seit Madame de Stael und Heine, seit den Napoleonischen Kriegen sind Deutschland und Frankreich bevorzugte Pole einer solchen Vermittlung, die nach 1871, 1918 und 1945 immer wieder notwendig wurde. Seit jener Zeit auch gab es etwas auszutauschen. Die Vermittler waren gewöhnlich von der einen Kultur geprägt, ehe sie eine Bewegung der anderen stellvertretend und antizipierend für ihre Landsleute entdeckten. So übersetzte Benjamin Baudelaire und Proust im Geiste einer Aneignung des Fremden, wie vor ihm George, wenn auch die Sprachmystik der >Aufgabe des Übersetzers< schon in Joyceschem Geiste mittels des Fremden am Eignen rüttelt. Und noch Adornos Verhältnis zu Valery und Proust trägt diese Züge.«
Aktualisiert: 2023-02-14
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Bernhard Groethuysen war Deutscher und Franzose, Europäer und Weltbürger,
bedeutender Philosoph und Soziologe, Literaturkritiker und Übersetzer, vor
allem aber ein großer Kommunikator und Vermittler: zwischen Literaturen,
Nationen und Wissenschaften – eine interdisziplinäre und internationale
Ein-Mann-Institution. Dabei scheute er trotz großer Vorlesungserfolge an der
Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität die breitere Öffentlichkeit. 1933 verließ
er umgehend das nationalsozialistische Deutschland, weil der so intensive wie
stille Politik-Beobachter wusste, was kommen würde.
Groethuysen wurde jetzt mehr denn je zum Franzosen, schließlich auch im
staatsrechtlichen Sinn. Zugleich intensivierte er seine Luxemburger Kontakte.
Früh schon war Groethuysen zum Colpacher Kreis um Aline Mayrisch de Saint-
Hubert gestoßen, wo er viele Lebensfreundschaften schloss, nicht zuletzt
mit André Gide, der ihn, gleich André Malraux, außerordentlich schätzte. Der
engste der Groethuysenschen Freunde war freilich Jean Paulhan, Cheflektor
des Pariser Verlags Gallimard und Redakteur der Nouvelle Revue Française.
Groethuysen gilt zurecht als Paulhans graue Eminenz, gerade auch zur Zeit
der deutschen Okkupation, die Paulhan und er mit viel Geschick überlebten:
als ebenso begabte Taktiker wie Strategen.
Groethuysen verstarb 1946 in Luxemburg, wo er zusammen mit seinem Lebensmenschen,
der kommunistischen Redakteurin Alix Guillain, auch begraben
liegt. Das allein schon wäre Grund genug gewesen, ihn 2018 in Luxemburg
zu würdigen. Entscheidend freilich war, dass Groethuysen als heimlicher
Klassiker der Kultur- und Sozialwissenschaften, nicht zuletzt der Philosophie
zu gelten hat. Gerade das vornehmlich komparatistische Vorgehen der hiermit
vorliegenden Tagungsdokumentation kann das erweisen. Sie versucht Leben,
Werk und Persönlichkeit des Meisterschülers von Wilhelm Dilthey und Georg
Simmel prismatisch zu brechen, um ihn auf diese Weise zu profilieren und
ein möglichst angemessenes Portrait von ihm zu präsentieren: das eines in
all seiner Problematik Intellektuellen comme il faut.
Aktualisiert: 2021-04-15
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