Eine wunderbare Frage. Warum? Das wird nur der richtig einzuschätzen wissen, der in die jahrtausendealten Geheimnisse des königlichen Spieles eingedrungen ist, der sich hat bezaubern lassen von der inneren Logik, dem Ideenreichtum, aber auch der Schönheit des Schachspiels. In unserer heutigen Zeit, wo Fernseher und DVD-Spieler, Computer und HiFi-Anlagen das gesellige Beisammensein immer mehr in den Hintergrund drängen, wo Mensch-ärgere-dich-nicht und Domino sich anhören wie Begriffe aus Urzeiten, hat sich das Schach allgemeine Beliebtheit bewahrt. Denn es ist durch seine einmalige Kombination aus Elementen der Wissenschaft, des Sportes und der Kunst mit keinem anderen Spiel vergleichbar. Nicht ohne Grund werden die Stimmen immer lauter, die fordern, Schach als Schulfach aufzunehmen, denn es dürfte neben Latein eine einmalige Schule der Logik sein. Spielend lernen. Nicht ohne Grund auch erfreut sich das Spiel als Wettkampfsport steigender Beliebtheit. Waren die Weltmeisterschaftskämpfe noch vor 30 Jahren eine Veranstaltung, von der nur unverbesserliche Fans Notiz nahmen, so haben sie sich heute zu einem sportlichen Großereignis gemausert, werden auf der Straße ausdiskutiert, und so mancher Fan von Topalow ist dem Herzinfarkt nahe, wenn Anand wieder einmal in letzter Sekunde noch das Steuer herumreißt. Aber auch die Nichtweltmeister stehen nicht mehr außerhalb der Öffentlichkeit. Bereits die zehnjährigen Kinder tragen Landesmeisterschaften aus, für die Zwölfjährigen gibt es die erste Europameisterschaft, und nicht selten ist der Jugendweltmeister bald ein Anwärter auf den Schachthron der alten Herren.
Bis dahin braucht es viel Übung und Geduld. Doch muss man diese auch z.B. für Mathematik aufbringen, was den meisten keinen Spaß macht. Beim Schach aber ist das alles verbunden mit der Freude am Spiel, dem Stolz über eine gewonnene Partie und dem Spaß mit der Mannschaft. Und wie Wissenschaftler herausgefunden haben, schult dieses Spiel unsere mathematisch-naturwissenschaftlichen Fähigkeiten genauso wie eine Mathematikstunde. Das sind schon eine ganze Menge Vorteile, doch hat das Schach noch anderes zu bieten. Vor allem scheint mir nämlich wichtig, dass Schach, gerade wenn man es in einem Klub wettkampfmäßig betreibt, uns Spaß, Unterhaltung, Zusammenhalt im Team vermittelt. Eine gut aufeinander eingespielte Mannschaft geht durch dick und dünn und wird gewiss nicht nur Schach zusammen spielen, sondern auch gemeinsame Urlaubsfahrten unternehmen, zusammen Feten feiern und vieles andere. Wie gut ist es heute, wo wir immer mehr Freizeit haben, wenn wir auch wissen, wie wir diese sinnvoll ausnutzen können.
Ich selbst arbeite schon einige Jahre als Trainer von Kindergruppen, und viele, die mit mir geübt haben und durch die Lande gefahren sind, sind dieser Sportart noch heute treu. Mancher hat in der Zwischenzeit andere Interessen, noch nie aber habe ich jemanden getroffen, der mir sagte, dass er gar nicht mehr spiele und traurig sei, sich jemals damit beschäftigt zu haben.
Im Schach, wie in vielen anderen Sportarten auch, fangen die Kinder immer früher an zu üben. Nicht selten gibt es bereits Kindergärten, die das königliche Spiel in ihr Förderprogramm aufgenommen haben. Diejenigen, die auf den Siegespodesten ganz oben stehen, haben oft mit sechs oder gar fünf Jahren ihre ersten Partien gespielt, ja selbst mit vier Jahren ist ein Kind durchaus in der Lage, die Regeln des Spieles zu begreifen und zu trainieren. Früh übt sich.
Und so habe ich dieses Lehrbuch in erster Linie für Kinder geschrieben. In meinen Trainingsstunden ist mir immer wieder negativ aufgefallen, dass kein Buch, kein Übungsmaterial zu haben war, welches wirklich für Kinder gemacht ist und den spezifischen Ansprüchen, die man an ein solches Lehrwerk stellen muss, gerecht wird. Anfängerlehrbücher, wie man sie überall zu kaufen bekommt, gehen generell davon aus, dass der Leser ein potentieller Weltmeister ist, dem eigentlich alles klar ist und dem man deshalb nach 20 Einführungsseiten gleich ein paar Weltmeisterpartien vorsetzen kann, da er daraus den höchsten Nutzen zieht. Ein solches Lehrbuch aber ist für ein methodisch aufgebautes Training völlig unbrauchbar, im Mathematikunterricht der ersten Klasse stehen auch keine Logarithmen oder Integrale auf dem Lehrplan, obwohl der Schüler daraus mehr lernen könnte als aus der Frage, wie viel 1 + 1 ist. So habe ich mich also aus meinen eigenen Erfahrungen heraus bemüht, dieses Buch so zu gestalten, dass es für Kinder einen optimalen Lerneffekt verspricht. Es ist zum Selbststudium geeignet, kann als Trainingsunterlage in der Schachgruppe im Klub oder auch in der Schulschachgruppe verwendet werden. In allen Varianten, kommentierten Partien und angegebenen Regeln habe ich mich gemüht, das Niveau zu wahren, welches so weit über dem des Anfängers steht, dass er maximalen Nutzen daraus ziehen kann. Um hier eine grobe Einschätzung zu geben: Jeder bis zum Niveau des Deutschen Meisters in der Altersklasse 12 sollte dieses Buch mit Gewinn lesen können. Und wenn ich es auch speziell für Kinder geschrieben habe, so halte ich es doch auch für eine sehr gute Einstiegshilfe für ältere Jahrgänge, die sich mit diesem Spiel beschäftigen wollen.
Am Schluss jedes Kapitels habe ich Kontrollfragen angefügt, damit jeder sein Wissen testen kann. Wer das vorangegangene Kapitel gelesen hat, sollte meistenteils keine unüberwindlichen Schwierigkeiten damit haben. Ich habe bewusst darauf verzichtet, die Lösungen mit anzugeben, da das aus meiner Sicht zu schnell dazu verführt, einfach nachzuschlagen. Wer eine besonders knifflige Frage erwischt hat, der kann sich damit bestimmt an Eltern, Geschwister oder Trainer wenden.
Damit nicht jeder gleich nachschlägt, befinden sich die Lösungen zu den Kontrollfragen am Ende des Zweiten Bandes.
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Dann können wir uns also ins Vergnügen stürzen. Wir werden viel erfahren über unser Schachheer. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass viele Begriffe zwar aus dem Kriegsgeschehen stammen, aber nicht zu Gewalt und Unrecht aufrufen, sondern dass im Gegenteil das Schachspiel ein einzigartiges Beispiel dafür ist, wie man einen Kampf auf Leben und Tod auch friedlich führen kann – auf dem Brett.
Manchem wird das Buch beim Durchblättern vielleicht als zu schwer erscheinen. Kann denn ein sechsjähriges Kind so etwas überhaupt verstehen? Dazu möchte ich sagen, dass wir unsere Kinder oftmals unterschätzen. Im übrigen ist dieses Buch eine Zusammenfassung von Wissen, mit der über einen längeren Zeitraum hinweg gearbeitet werden soll. Das tiefere Verständnis vieler Regeln und Begriffe wird sich erst im praktischen Üben herausbilden. Auch dazu sind vielfältige Hinweise gegeben.
Sicher hätte man manches weglassen können. Das aber ist der Fehler vieler Lehrbücher, die mit dem Argument, das verstünde ein Kind sowieso nicht, für das Gesamtverständnis wichtige Details unterschlagen. Ich glaube vielmehr, dass ein Kind sehr viel verstehen kann, wenn es Interesse an der Sache hat und man sie ihm richtig erklärt! Das hat meine langjährige Tätigkeit als Schachtrainer gezeigt. Die Erfolge mancher Trainer, die innerhalb eines Jahres aus Anfängern Sieger nationaler Kindermeisterschaften machen, zeigen deutlich, was für Möglichkeiten in unseren Kindern stecken. Wir sollten sie zu wecken suchen!