KIM YUJONG wurde am 11. Januar 1908 im Dorf Chung-ni, das in unmittelbarer Nähe von Chuncheon, der Hauptstadt der Provinz Gangwon-do, liegt, geboren. Er wuchs in bäuerlichen Verhältnissen auf. Mit 7 Jahren verstarb bereits seine Mutter, mit 9 Jahren, als auch sein Vater starb, verwaiste er mit seinen Geschwistern und lebte bei nahen Verwandten in Chuncheon, das damals den japanischen Namen Shunsen trug, weil Korea ab 1910 Teil des Japanischen Kaiserreiches (bis 1945) war. Er lernte in der Schule die chinesische Kalligraphie. Nach seiner Schulzeit studierte er in Seoul an der heutigen Yonsei-Universität und begann zu schreiben. Mit 22 Jahren litt er an einer wiederkehrenden Rippenfellentzündung und bekam drei Jahre später die Diagnose Lungenerkrankung. Er schrieb rund 30 Erzählungen, die er meist noch zu Lebzeiten zwischen 1933 und 1936 in Literaturzeitschriften und Wochenschriften veröffentlichte.
Eine melancholische Grundstimmung durchzieht sein erzählerisches Werk, das sich mit dem bäuerlichen Landleben, seinen knorrig-erdigen Gestalten und derben Sitten sehr gut auskennt, die er bisweilen äußerst düster, aber eben auch mit ironischer Verspieltheit vorführt. Kim Yujong starb am 29. März 1937 an Lungentuberkulose.
Die ausgewählten Kurzerzählungen, die hier erstmals in deutscher Übersetzung erscheinen, stellen einerseits die Lebensgeschichte des koreanischen Schriftstellers Kim Yujong dar, andererseits spiegeln sie die Sozialgeschichte Koreas der 1930er Jahre – also während der japanischen Kolonialzeit – auf eindrucksvolle und ausdrucksstarke Weise wider. Kim Yujong gilt in Korea als sehr bedeutender Schriftsteller, und es erstaunt demnach nicht, dass sein restauriertes Geburtshaus zu einem Literaturhaus mit regelmäßigen Kurzgeschichten-Wettbewerben, Symposien und literaturpädagogischen Veranstaltungen geworden ist und sogar die dortige Eisenbahnstation in Chuncheon seinen Namen trägt. Sein Erzählwerk wurde ins Chinesische, Englische und Vietnamesische übersetzt. Die Motivation, dieses Werk ins Deutsche zu übersetzen, ist allerdings nicht allein seinem literarhistorischen Ruhm geschuldet, sondern auch der geistesgeschichtlichen Bedeutung seiner Kurzerzählungen, die vielfältige Themen verarbeiten, und der einzigartigen Darstellung sozialer Milieus. Darüber hinaus ermöglicht die Lesbarkeit seiner Texte einen Zugang zur koreanischen Kultur des frühen 20. Jahrhunderts, und dieser stellt wiederum eine gute Voraussetzung für ein tiefere Verständnis der koreanischen Gegenwartskultur dar.
Kim Yujong gehörte zum „Club der neun Personen“ („Guinhoe“), in welchem die Schriftsteller die Ansicht vertraten, dass man Literatur als rein literarische Werke zu betrachten habe und diese nicht für soziale oder politische Zwecke gebraucht werden dürfe. Gleichwohl hat sich Kim Yujong aber in seinem kurzen Leben in sozialer Hinsicht leidenschaftlich engagiert; beispielsweise richtete er in seinem Heimatort Chuncheon die Abendschule „Gumbyonguisuk“ ein, an der er armen Kindern Unterricht erteilte.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in der vorliegenden Übersetzung vollständig auf Fußnoten und Anmerkungen verzichtet. An dieser Stelle gilt mein Dank den Gutachtern, deren Empfehlungen ich diesbezüglich und auch in anderen Hinsichten gefolgt bin. Ich gehe davon aus, dass immer wiederkehrende koreanische Bezeichnungen – z.B. Dynastiebezeichnungen wie Choson oder Währungsbezeichnungen wie Zon und Won – ohne Weiteres vom Leser erschlossen werden können.
Der Titel der Kurzerzählung „Kamelien“ hätte in der vorliegenden Übersetzung beinahe „Stumpflappige Fiebersträucher“ genannt werden sollen, weil für Kim Seonyong, der die gesammelten Erzählungen von Kim Yujong als Herausgeber betreute, die Kamelien die Blüten des gelben Stumpflappigen Fieberstrauches bezeichnen. Für die deutschsprachige Ausgabe habe ich mich dennoch an die Geläufigkeit des Originalausdrucks gehalten, weil im Deutschen der Gattungsname der Kamelien schlichtweg griffiger ist.
Yunhui Baek
In der neuen Reihe Koreanische Literatur in der Edition Delta liegen derzeit neben dem Roman Ein Frühlingstag im Paradies von Chae Manshik, übersetzt und mit einem Nachwort von Yunhui Baek, der Werkauswahl Augen aus Tau von Mah Chonggi, übertragen und mit einem Nachwort von Gwi-Bun Schibel-Yang und Wolfgang Schibel, dem Roman Mondestrunken von Jung Young Moon, übersetzt von Philipp Haas und Lee Byong-hun, sowie der Werkauswahl Morgendämmerung von Shin Dal Ja mit Gedichten aus den Jahren 1989-2007, ausgewählt, übersetzt und mit einem Nachwort von Sophia Tjonghi Seo, die folgenden Bücher vor: die Erzählungssammlung UNKRAUT und andere Prosa von Hwang Sok-Yong, übersetzt von Kang Seung-Hee, Oh Dong-Sik, Torsten Zaiak und Martin Tutsch, die Werkauswahl Als der Hahn im Dorf am Fluß krähte, hing der Mond noch im Dachgesims von Toegye (Lee Hwang oder Yi Hwang) mit Gedichten aus den Jahren 1515-1570, deutsche Fassungen von Tobias und Juana Burghardt auf der Grundlage der Vorarbeit von Doo-Hwan und Regine Choi und mit einem Nachwort von Tobias Burghardt, der Gedichtband Unter Pfirsichblüten eingeschlafen der jungen koreanischen Lyrikerin Kim Sun-Woo, komplett zweisprachig (koreanisch-deutsch), übersetzt von Kang Seung-Hee und Kai Rohs, der Roman Schwertgesang von Kim Hoon, übersetzt von Heidi Kang und Ahn Sohyun, sowie die Werkauswahl Himmmelsnetz von Park Hijin mit Gedichten aus den Jahren 1960-2003, teilweise zweisprachig (koreanisch-deutsch), übersetzt und mit einem Nachwort von Doo-Hwan und Regine Choi. Demnächst folgen weitere koreanische Werke.
Aktualisiert: 2020-02-09
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Der koreanische Romancier, Essayist, Literaturkritiker und Dramatiker CHAE MANSHIK wurde am 17. Juni 1902 im damaligen Okgu, heute: Gunsan, Jeollabuk-do (Südkorea), als fünfter Sohn wohlhabender Bauern geboren und starb am 11. Juni 1950 in Seoul an Tuberkulose, weniger als eine Woche vor seinem Geburtstag, noch keine ganzen 48 Jahre alt. Den Roman „Ein Frühlingstag im Paradies“ (Taepyong-Chonha) schrieb er im Jahr 1938. Der Autor beschreibt darin detailreich, sarkastisch und pointiert-ironisch zwei Herbsttage desselben Jahres aus dem Leben einer reichen koreanischen Großfamilie, deren Oberhaupt der 72-jährige Geizkragen Yoon Ikon ist. Sein von ihm selbst nur oberflächlich reflektiertes Leben steht im Mittelpunkt des Romangeschehens. Zwar stammt er ursprünglich aus einer armen Familie, aber als Erbe seines plötzlich zu Wohlstand gekommenen und später ermordeten Vaters unternimmt er alle möglichen Dinge, um sich selbst und seine Familie so zu positionieren, wie es seinen Wünschen entspricht, nämlich als sozial angesehene Adelsfamilie mit historischer Legitimation.
Indes ist das Paradies – der Originaltitel „Taepyong-Chonha“ bedeutet so viel wie „Frieden unter dem Himmel“ –, in dem sich der Alte Yoon zu leben wähnt, nur eine Schimäre, denn die Familie steuert auf den materiellen Ruin ebenso unentrinnbar zu, wie moralische Werte generell verfallen. Während der Alte Yoon krampfhaft versucht, seinen Besitz zu wahren und zu vergrößern, indem er Wuchergeschäfte betreibt und pfennigfuchserisch Einsparungen jeglicher Art vornimmt, verprassen die männlichen Nachkommen rücksichtslos den Familienbesitz, um sich ihrem dekadenten und ausschließlich auf Vergnügen ausgerichteten Leben hinzugeben, wohingegen sich die meisten Frauen der Großfamilie lediglich an einen bescheidenen Lebensstil zu halten haben. Obwohl der Erzählrahmen des Romans wegen der damaligen Zensur keine direkte politische Kritik zulässt, gibt uns das Werk in einer ungewohnt offenen Art einen einzigartigen Einblick in die koreanische Gesellschaft während der letzten Choson-Epoche, in der Korea 36 lange Jahre von Japan besetzt worden war.
Chae Manshik heiratete im Jahr 1920 und studierte ab 1922 Englische Literatur an der renommierten Waseda-Universität in Tokyo, wo er auch als Fußballer aktiv war. Er unterbrach sein Studium aber im Herbst 1923 wegen des großen Erdbebens in der japanischen Kantō-Ebene auf der japanischen Hauptinsel Honshu, das die Hafenstadt Yokohama und weite Bereiche des benachbarten Tokyo zerstörte, und kehrte in seine koreanische Heimat zurück. 1924 wurde sein erster Sohn geboren. Gleichzeitig veröffentlichte er als literarisches Debüt die Kurzgeschichte „Auf drei Pfaden“. Anschließend war er als Berichterstatter für einige Tageszeitungen tätig, darunter „Dong-a Ilbo“ und „Chosun Ilbo“. Ab 1936 widmete er sich nach seinem Umzug nach Kaesong ganz dem Schreiben. 1938 wurde er von den japanischen Besatzern vorübergehend inhaftiert und unter Auflagen wieder freigelassen.
Chae Manshik wurde Vater von insgesamt vier Söhnen, von denen der dritte als Dreijähriger 1945 starb, und einer Tochter, nach deren Geburt 1947 seine Ehefrau starb. Die eigene Erkrankung an Lungentuberkulose zwang ihn in seinen allerletzten Lebensjahren, das Haus der Familie zu verkaufen, um alle Arztkosten, auch für den ältesten Sohn, der an Paratyphus litt, bezahlen zu können.
Unter seinen rund 200 Werken, die er in einem Vierteljahrhundert obsessiv zu Papier brachte, sind „Gebrauchsfertiges Leben“ (1934), „Trüber Strom“ (1938) und „Mein idiotischer Onkel“ (1938) diejenigen, die ihn schließlich als Schriftsteller berühmt gemacht haben und für die zu wünschen ist, dass sie in der Zukunft auch im deutschsprachigen Raum vorgestellt werden. Übersetzungen seiner erzählerischen Werke liegen auf Chinesisch, Englisch, Französisch und Japanisch vor.
Mit dieser ersten deutschen Übersetzung eines literarischen Werkes von Chae Manshik ist die Hoffnung verbunden, den deutschsprachigen Leser an der tragikomischen Welt des Alten Yoon teilhaben zu lassen und ihn auf die fremde koreanische Kultur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts neugierig zu machen.
Yunhui Baek
In der neuen Reihe Koreanische Literatur in der Edition Delta liegen derzeit neben der Kurzgeschichtensammlung Kamelien von Kim Yujong, übersetzt und mit einem Nachwort von Yunhui Baek, der Werkauswahl Augen aus Tau von Mah Chonggi, übertragen und mit einem Nachwort von Gwi-Bun Schibel-Yang und Wolfgang Schibel, dem Roman Mondestrunken von Jung Young Moon, übersetzt von Philipp Haas und Lee Byong-hun, sowie der Werkauswahl Morgendämmerung von Shin Dal Ja mit Gedichten aus den Jahren 1989-2007, ausgewählt, übersetzt und mit einem Nachwort von Sophia Tjonghi Seo, die folgenden Bücher vor: die Erzählungssammlung UNKRAUT und andere Prosa von Hwang Sok-Yong, übersetzt von Kang Seung-Hee, Oh Dong-Sik, Torsten Zaiak und Martin Tutsch, die Werkauswahl Als der Hahn im Dorf am Fluß krähte, hing der Mond noch im Dachgesims von Toegye (Lee Hwang oder Yi Hwang) mit Gedichten aus den Jahren 1515-1570, deutsche Fassungen von Tobias und Juana Burghardt auf der Grundlage der Vorarbeit von Doo-Hwan und Regine Choi und mit einem Nachwort von Tobias Burghardt, der Gedichtband Unter Pfirsichblüten eingeschlafen der jungen koreanischen Lyrikerin Kim Sun-Woo, komplett zweisprachig (koreanisch-deutsch), übersetzt von Kang Seung-Hee und Kai Rohs, der Roman Schwertgesang von Kim Hoon, übersetzt von Heidi Kang und Ahn Sohyun, sowie die Werkauswahl Himmmelsnetz von Park Hijin mit Gedichten aus den Jahren 1960-2003, teilweise zweisprachig (koreanisch-deutsch), übersetzt und mit einem Nachwort von Doo-Hwan und Regine Choi. Demnächst folgen weitere koreanische Werke.
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