Die Anwendung von Euterhygieneprodukten, in Form von Reinigungstüchern und Euterdippmitteln, ist zentraler Bestandteil der täglichen Melkroutine und dient nicht nur der Milchgewinnung unter möglichst hygienischen Bedingungen, sondern beugt auch der Entstehung von Euterentzündungen vor und erhält damit die Eutergesundheit. Die Anforderungen an hierfür eingesetzte Produkte, die häufig Jod oder Chlorhexidin als Wirkstoff enthalten, sind – neben einer guten antimikrobiellen Wirksamkeit – eine gute Hautverträglichkeit, um so die natürliche Barrierefunktion der Haut gegenüber klimatischen, mechanischen, mikrobiellen sowie sonstigen äußeren Einflüssen zu unterstützen. Ziel der vorliegenden Studie, die von Mitte Januar bis Mitte Februar 2008 in der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere mit Tierärztlicher Ambulanz der Veterinärmedizinischen Fakultät Gießen durchgeführt wurde, war es daher zu prüfen, in welchem Umfang die Verwendung von Eutertüchern und Euterdippmitteln mit dem Wirkstoff Polihexanid, der in diesem Rahmen erstmalig in Euterhygieneprodukten eingesetzt wurde, zur Erhaltung der Eutergesundheit bei Kühen beitragen kann. Unter dem Begriff der Eutergesundheit subsummiert sollten daher neben der mikrobiellen Kolonisation der Zitzenhaut und der Strichkanalöffnung auch die damit verbundenen Zellzahlen in der Milch sowie verschiedene, objektive Messparameter (Hautfeuchtigkeit, transepidermaler Wasserverlust, pH-Wert und Sebumgehalt) zur Beurteilung der Zitzenhautgesundheit bestimmt werden. Die Evaluation der Effektivität polihexanidhaltiger Eutertücher und eines entsprechenden Euterdippmittels (Desco-vet Euterdip) hinsichtlich ihrer hautpflegenden und antimikrobiellen Wirksamkeit erfolgte im Vergleich zu alkoholischen Eutertüchern sowie dem jodhaltigen Euterdippmittel Gelstadip® forte. Hierfür wurde in zwei Messdurchgängen über jeweils 14 Tage der epidermale und antimikrobielle Effekt der beiden Eutertücher evaluiert sowie über beide Messdurchgänge hinweg die hautpflegende und keimreduzierende Wirkung der Euterdippmittel an fünf klinikeigenen Kühen untersucht. Dafür wurden jeweils zwei Zitzen in Desco-vet Euterdip respektive Gelstadip® forte gedippt. Jeweils vor und nach der Anwendung der Eutertücher erfolgte in festgelegten Intervallen eine Messung verschiedener Hautparameter (Hautfeuchtigkeit, transepidermaler Wasserverlust, pH-Wert und Sebumgehalt) sowie die Entnahme von Tupferproben von der lateromedianen Zitzenhaut und der Strichkanalöffnung jeder Zitze. Die mikrobiologische Auswertung erfolgte anschließend im Institut für Hygiene und Infektionskrankheiten der Veterinärmedizinischen Fakultät Gießen.
Die Messung der Hautparameter ergab für in Desco-vet Euterdip und in Gelstadip® forte gedippte Zitzen ähnliche Messwerte, die auch mit den Angaben aus anderen Studien übereinstimmen und für einen guten Hautzustand sprechen, sodass insgesamt kein Unterschied zwischen den beiden Produkten hinsichtlich ihrer hautpflegenden Wirkung bestand. Durch die Anwendung der Eutertücher kam es generell, d. h. unabhängig von der Art der verwendeten Eutertücher, zu einem signifikanten Anstieg der Hautfeuchtigkeit und des transepidermalen Wasserverlustes, wobei letzterer bei den alkoholischen Eutertüchern im Vergleich zu den polihexanidhaltigen Eutertüchern signifikant höher ausfiel. Eutertücher mit Polihexanid führten an Zitzen, die in ein Euterdippmittel mit demselben Wirkstoff (Desco-vet Euterdip) getaucht worden waren, sogar zu einer leichten Reduktion des transepidermalen Wasserverlustes. Darüber hinaus konnte eine signifikante Verminderung des Zitzenhaut¬pH-Wertes nach Anwendung der beiden Eutertücher festgestellt werden. Nur knapp nicht signifikant beeinflusst wurde hingegen der Sebumgehalt der Zitzenhaut, der durch alkoholische Eutertücher deutlich erhöht, aber durch polihexanidhaltige Eutertücher im Durchschnitt leicht reduziert wurde. Im Zuge der bakteriologischen Untersuchung wurden insgesamt 28 verschiedene Keime von den Zitzen, d. h. von der Zitzenhaut und/oder der Strichkanalöffnung isoliert (euterassoziierte major Pathogene: S. aureus, α-und β-hämolysierende Streptokokken; euterassoziierte minor Pathogene: KNS, Corynebakterien; minor pathogene Pilze: Schimmelpilze, Hefen; umweltassoziierte Pathogene: aerobe Bacillus ssp., E. coli, Bacillus cereus, Acinetobacter ssp., Enterococcus ssp., Proteus ssp., γ-hämolysierende Streptokokken, K. oxytoca, K. pneumoniae, Enterobacter ssp. sowie „weitere coliforme Keime“; Feucht-und Pflanzenkeime: Erwinia ssp., Nocardia ssp., Stenotrophomonas ssp., Alcaligenes ssp., Flavobacterium ssp., Pseudomonas ssp.; endogene Keime: A. pyogenes, Gemella ssp., Micrococcus ssp., Moraxella ssp.). Euterassoziierte Major-Pathogene fanden sich nur in moderater Anzahl auf den Zitzen der Kühe – mit Ausnahme von α-hämolysierenden Streptokokken, die zu den am häufigsten in dieser Studie isolierten Keimen zählten. Noch häufiger nachgewiesen wurden lediglich Koagulase-negative Staphylokokken als Vertreter der euterassoziierten minor Pathogene, die weitaus häufiger isoliert wurden. Allerdings wurden Koagulase-negative Staphylokokken durch Desco-vet Euterdip auf der Zitzenhaut signifikant besser reduziert. Lediglich mäßig oft konnten Pilze nachgewiesen werden, gegenüber denen jedoch beide Euterdippmittel eine vergleichbare Wirksamkeit zeigten.
Bei den regelmäßig isolierten umweltassoziierten Mastitiserregern wurden Fäkalkeime am häufigsten isoliert und es zeigte sich eine signifikant bessere Wirksamkeit von Desco-vet Euterdip gegenüber Bacillus cereus auf der Zitzenhaut im Vergleich zu Gelstadip® forte. Sporadisch nachgewiesen werden konnten außerdem endogene Keime sowie Feucht- und Pflanzenkeime, bei denen sich lediglich auf der Zitzenhaut eine schwach signifikant bessere Wirksamkeit von Desco-vet Euterdip gegenüber Alcaligenes ssp. fand. Abgesehen von den aufgeführten Ausnahmen konnte ansonsten grundsätzlich kein Unterschied in der antimikrobiellen Wirksamkeit der beiden Euterdippmittel festgestellt werden. Durch die Anwendung alkoholischer und polihexanidhaltiger Eutertücher konnten euterassoziierte major Pathogene ausreichend von den Zitzen, d. h. von der Strichkanalöffnung und der Zitzenhaut, entfernt werden. Auf der Zitzenhaut führte die Anwendung polihexanidhaltiger Eutertücher jedoch zu einer signifikant besseren Wirksamkeit gegenüber α-hämolysierenden Streptokokken. Eine Ausnahme stellt eine im Durchschnitt scheinbar fehlende Wirksamkeit der beiden Eutertücher gegenüber Staphylococcus aureus dar. Diese vermeintlich fehlende Wirksamkeit könnte einerseits auf einer methodischen Ursache basieren
(u. a. Erfassung der Keimzahlen in Keimzahlkategorien) oder andererseits aus einer Verschleppung der Keime von der Strichkanalöffnung auf die zuvor Staphylococcus aureus freie Zitzenhaut resultieren. Euterassoziierte minor Pathogene wurden durch beide Eutertücher gut bis mittelmäßig reduziert, wobei die polihexanidhaltigen Eutertücher tendenziell etwas besser wirksam waren. Eine gute Wirksamkeit beider Eutertücher zeigte sich gegenüber Pilzen, wobei polihexanidhaltige Eutertücher schwach signifikant wirksamer gegenüber Hefen waren. Umweltassoziierte Mastitiserreger konnten insgesamt durch beide Eutertücher zufriedenstellend bis gut von den Zitzen entfernt werden, wobei sich jedoch bei beiden Eutertüchern eine Wirkschwäche gegenüber Proteus ssp. feststellen ließ. In diesem Fall waren die alkoholischen Eutertücher trotz einer geringen Keimreduktion dennoch teilweise schwach signifikant besser wirksam als die polihexanidhaltigen Eutertücher, die zu einem mehr oder weniger hohen Anstieg der Keimzahl auf der Zitzenhaut oder an der Strichkanalöffnung führten. Ebenfalls signifikant schlechter war die Wirksamkeit der Eutertücher mit Polihexanid gegenüber γ-hämolysierenden Streptokokken an der Strichkanalöffnung, die hier nur mittelmäßig reduziert wurden. Im Vergleich zu den alkoholischen Eutertüchern signifikant besser war hingegen die Wirksamkeit der polihexanidhaltigen Eutertücher gegenüber Enterococcus ssp. und Acinetobacter ssp. an der Strichkanalöffnung sowie gegenüber E. coli und aeroben Bazillen auf der Zitzenhaut.
Feucht- und Pflanzenkeime sowie endogene Keime wurden in der Regel durch beide Eutertücher vollständig von der Zitze beseitigt. Eine Ausnahme hiervon stellt die Wirksamkeit polihexanidhaltiger Eutertücher an der Strichkanalöffnung dar, die gegenüber Erwinia ssp.,
A. pyogenes und Moraxella ssp. deutlich schlechter ausfiel. Durch die Anwendung der Eutertücher ebenfalls nicht vollständig eliminert, aber durchaus sehr umfangreich reduziert, wurden Nokardien an der Strichkanalöffnung und A pyogenes auf der Zitzenhaut. Ein Vergleich mit der Wirksamkeit alkoholischer Eutertücher war dabei aufgrund des Fehlens der Keime während der Anwendung dieser Eutertücher nur bei Erwinia ssp. möglich, die jedoch durch die alkoholischen Eutertücher tendenziell besser reduziert wurden. Insgesamt betrachtet kann daher festgehalten werden, dass Desco-vet Euterdip mit Polihexanid eine gleichwertige Alternative zu Gelstadip® forte darstellt, was durch einen fehlenden Unterschied im Hinblick auf die Zellzahlen weiter untermauert wird. Es zeigte sich außerdem, dass Eutertücher mit Polihexanid eine effektive Möglichkeit zur desinfizierenden Zitzenreinigung repräsentieren und hierbei Eutertüchern mit einer alkoholischen Tränklösung teilweise sogar überlegen sind. Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse dieser Studie sollte die Wirksamkeit der Euterhygieneprodukte mit Polihexanid in einem größer angelegten Feldversuch und über einen längeren Zeitraum untersucht werden, um eine Aussage zur Effektivität dieser Produkte unter Praxisbedingungen mit weiteren wissenschaftlichen Daten untermauern zu können. In Anbetracht ökotoxikolgischer Aspekte erfolgte jedoch für die hier eingesetzten Euterhygieneprodukte mit Polihexanid keine finale Zulassung als Biozidprodukt und sind diese Produkte daher derzeit in Europa nicht mehr erhältlich. Nichtsdestotrotz sind in geringem Umfang weltweit Euterhygieneprodukte mit Polihexanid verfügbar und können die hier gewonnenen Erkenntnisse für diese grundsätzlich übernommen werden.