Der vorliegende lateinisch-deutsche Nachdruck macht ein bemerkenswertes Zeugnis frühmodernen politischen Denkens wieder zugänglich, das mit hoher Wahrscheinlichkeit unter höchst widrigen Umständen in der oberdeutschen Hauptstadt des Reiches, also Augsburg, entstanden ist.
Wir befinden uns am Beginn des Schlüsseljahrs 1620. Seit zwei Jahren dauerte bereits jener zunehmend blutigere Konflikt zwischen der Habsburger Dynastie und ihren Gegnern, der ab 1648 als Dreißigjähriger Krieg bezeichnet werden sollte. Bereits im Vorfeld und erst recht nach dem Prager Fenstersturz als Symbol offener Rebellion war parallel zu den politisch-militärischen Aktivitäten beider Seiten ein scharfer Flugschriftenkrieg ausgebrochen. Alle Parteien unternahmen erhebliche Anstrengungen, die rechtliche Zulässigkeit und politisch-moralische Richtigkeit ihrer Position öffentlich darzustellen bzw. umgekehrt den jeweiligen Gegner zu denunzieren und zu verunsichern. Zunächst schienen die böhmische Seite und die Partei König Friedrichs V., des vormaligen Kurfürsten der Pfalz, in diesem Blätterkrieg die Oberhand gewonnen zu haben. Die kaiserlich-katholische Seite bedurfte, sofern man ihr nahe stand, demnach verstärkter publizistischer Hilfe. Unter denjenigen, die sie auf direkte Anweisung und Aufforderung oder aus eigenem Antrieb gewährten, war offensichtlich der in Augsburg inhaftierte Paul Welser, der sich die langen Gefängnisstunden gewiss auch mittels zeitgeschichtlich-politischer Gespräche mit seinem in der Reichspolitik erfahrenen Bruder Matthäus vertrieb, der ebenfalls inhaftiert war. Ein Vermerk auf einem Wolfenbütteler Exemplar einer der bedeutendsten, anonym veröffentlichten Flugschriftentraktate des Jahres 1620 in zeitgenössischer Handschrift belegt nämlich unmissverständlich, dass dessen "Auctor Paulus Welser Senator Augusta[e]" sei.
Was machte die Attraktivität dieser Secretissima Instructio aus? Erstens gewiss der Enthüllungsgestus, den der Titel bot: Enthüllung eines geheimsten Gutachtens, das heißt eines politischen Geheimnisses der höchsten europäischen Machtebene. Zweitens der unmittelbare Aktualitätsbezug dieses Ansatzes: mit Focus auf die unerhörte, unverkennbar auf die Krise zutreibende, über das Schicksal eines Königs entscheidende Herausforderung der mächtigsten europäischen Dynastie, der Habsburger, und des höchsten politischen Würdenträgers, des Kaisers, werden die Einstellungen und Interessen der wichtigsten europäischen Mächte thematisiert. Drittens die für den durchschnittlichen kaiser- und reichstreuen Leser prominente Benennung der drei gefährlichsten einschlägigen Gegner schon im Titel, also des durch Heinrich IV. stabilisierten und potenten Frankreich, des wiedererstarkten und im Aufstieg begriffenen England, schließlich des rebellischen, entgegen aller spanisch-habsburgischen Anstrengungen nicht mehr niedergeworfenen Holland, sowie deren direkte Verknüpfung mit dem Reichsstand Kurpfalz. Auf dieser Ebene liegt, dass viertens zumindest eine deutsche Version nicht darauf verzichtet, zur Vollendung des unterschwelligen Schreckensszenarios auch noch die Türken als Erzfeinde der europäischen Christenheit in den Titel aufzunehmen. Fünftens dürfte jedoch die nüchtern-leidenschaftslose Argumentation nach den Prinzipien wohlverstandener Staatsräson das wesentliche Attraktivitätselement ausgemacht haben. In diesem Rahmen gelangt das folgerichtig als "Gutachten" bezeichnete Schriftstück sogar zu eindrucksvoller prognostischer Qualität, wodurch seine Glaubwürdigkeit und Attraktivität auch im Nachhinein, nach dem Schlüsselereignis der Niederlage vor Prag am Weißen Berg am 8. November 1620, erheblich gesteigert worden sein dürfte. Das Ziel der kaiserlich-katholischen Gegenpartei ist ebenso erreicht wie dasjenige des mutmaßlichen Verfassers Paul Welsers, durch diese publizistische Leistung das Wohlwollen des Kaisers dahingehend zu steigern, dass dieser eine energische Intervention zugunsten der Welser-Brüder beim Augsburger Rat unternimmt.
Aktualisiert: 2019-01-07
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