Der Zeitraum zwischen 1860 und dem Beginn des Ersten Weltkriegs gilt heute als ein Höhepunkt der europäischen und insbesondere auch der französischen Keramik. Eigen- und Ortsnamen wie Palissy, Oiron, Imari oder Isnik weisen stellvertretend auf die vielfältigen europäischen Vorbilder und die Anregungen aus fremden Kulturen, Stilbezeichnungen wie Orientalismus, Japonismus und Art Nouveau zeigen die eigenständige Verarbeitung dieser Impulse, und Begriffe wie Barbotine, Pâte-sur-pâte, Email mat velouté, Grès tendre oder Kristallglasur stehen für die Vielzahl eigener Entdeckungen.
Dieses Handbuch der französischen Kunstkeramik zwischen 1860 und 1920 bietet in dem einleitenden Überblick zunächst eine zusammenfassende Darstellung der künstlerischen und technologischen Entwicklung von den retrospektiven Stilen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts über den Höhepunkt des Art Nouveau bis zu seinen die Epoche des Art Déco überdauernden Nachklängen. Der Hauptteil enthält in alphabetischer Anordnung über 550 detaillierte biographische und werkgeschichtliche Beiträge zu den Keramikern, ihren Mitarbeitern und den entwerfenden und ausführenden Malern und Bildhauern, Firmengeschichten der Werkstätten, Manufakturen und Fabriken sowie Angaben zu Galerien und Handelshäusern, Ausstellungen und Salons; dazu kommen fast einhundert ausführliche Erläuterungen wichtiger Sachbegriffe. Etwa 1200 Farbabbildungen von Objekten und historische Fotos runden das Bild ab.
Der Begriff Kunst-Keramik wird in einem umfassenden Sinn verstanden. Ausdrücklich einbezogen wurden deshalb auch die in der bislang vorliegenden Literatur häufig vernachlässigten oder ganz fehlenden großen Hersteller wie die Manufacture de Porcelaine Charles Pillivuyt oder G.D.V. Bruère, und ungeachtet der im Titel angegebenen zeitlichen Eingrenzung werden auch Hersteller wie Denert & Balichon, Méténier oder die Faïencerie Héraldique de Pierrefonds ausführlich behandelt, die den Stil des Art Nouveau popularisierten und seine von der Kritik längst verpönten Gestaltungen noch bis in die Mitte des Jahrhunderts transportierten. Die Reproduktion eines Kataloges von Pierrefonds und das Verzeichnis der Modellnummern von Denbac ermöglichen eine zeitliche Einordnung der meist entsprechend gekennzeichneten Objekte.
Das Buch fasst nicht nur den bisherigen Wissensstand zusammen, sondern kann auch bei bekannten und weniger bekannten Namen wie Henri Amirault, Eugène Collinot, Théodore Deck, Edmond Lachenal, Clément Massier oder Optat und Paul Milet mit vielen bislang unbekannten Informationen aufwarten. Dazu kommen zahlreiche neue Ergebnisse – als Beispiele seien die Auflösung des Pseudonyms Henry-Léon Robalbhen, die vollständige Geschichte des Ateliers de Glatigny oder die Biographie einschließlich der genauen Lebensdaten des geheimnisvollen Keramikers und Glaskünstlers Amédée de Caranza angeführt.
Für den umfangreichen Abbildungsbestand standen Wiedergaben von überwiegend unveröffentlichten Objekten aus mehreren öffentlichen und privaten Sammlungen zur Verfügung. Dadurch war es möglich, neben den neuen Namen auch bisher wenig beachtete oder unbekannt gebliebene Aspekte des keramischen Schaffens bekannter Künstler, Werkstätten und Manufakturen wie etwa Barbotine-Arbeiten von Léon Pointu, Steinzeuge mit japonisierenden Überlaufglasuren von Clément Massier oder Arbeiten aus den letzten Jahren der Manufaktur von Théodore Deck angemessen zu berücksichtigen. Eine Zusammenstellung von Marken und Signaturen und eine Bibliographie runden das Werk ab.
Die vorliegende Veröffentlichung wendet sich an alle an der angewandten Kunst und insbesondere an der künstlerischen Keramik aus dem Historismus und dem Jugendstil Interessierten. Die Vielzahl neuer biographischer und firmengeschichtlicher Daten, die Informationen zur Keramiktechnologie der Zeit und die Zuordnung und die zeitliche Einordnung der Objekte machen sie nicht nur zu einem Nachschlagewerk für Wissenschaftler, sondern auch zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel für Sammler und Liebhaber.
Aktualisiert: 2023-04-13
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