Grottenarchitekturen im Gebiet Berlin/Brandenburg

Grottenarchitekturen im Gebiet Berlin/Brandenburg von Sommer,  Roland
Seit Mitte des 17. Jahrhunderts nahmen Grottenarchitekturen relativ durchgängig bis zur Gegenwart einen Platz im regionalen Baugeschehen in Berlin/Brandenburg ein. Die vorliegende Dissertation veranschaulicht anhand von mehr als 170 Objektbeispielen die facettenreiche Entwicklungsgeschichte dieser Architekturgattung für das Untersuchungsgebiet Berlin/Brandenburg mit ihren formalen und inhaltlichen Besonderheiten. Die Analyse der Verbindung zwischen Grottenbau und gesellschaftlichen Veränderungen bildet gemeinsam mit den Detailinformationen zu Bauherren, Bauintentionen und Bausubstanz die Basis der Darstellung. Neben der Gesamtbetrachtung und Auswertung sind die künstlichen Grotten in einem Katalog erfasst. Mit einer chronologischen Einbindung der Grotten in die Regionalgeschichte mit Beachtung der Abhängigkeiten von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Einflüssen, der Neigungen von Auftraggebern sowie der werktechnischen und stilistischen Veränderungen, konnten übergreifende Entwicklungsphasen für den Architekturtypus des Grottenbaus herausgearbeitet werden. Zusammenfassend ist von zwei Hochphasen des regionalen Grottenbaus auszugehen: Den Grotten als höfische Bauaufgabe im 18. Jahrhundert folgte zwischen 1850 bis 1920 der bürgerliche Grottenbau einschließlich Bauten im öffentlichen Raum. Flankiert werden diese Hochphasen durch die Grotten unter Kurfürst Friedrich Wilhelm ab ca. 1650 und durch die Gewerbeobjekte unserer Tage. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zeichneten in einem zunehmend erstarkenden Preußen die Hohenzollern und der Adel für derartige Bautätigkeiten verantwortlich. Standen anfangs die Grotten mit einer opulenten Hofkultur und der Selbstinszenierung der Bauherrn in Verbindung, folgten später Objekte, die u. a. von Gedanken der Aufklärung inspiriert wurden. Je nach Anschauung dienten Grotten der Unterhaltung und Ablenkung oder als stille Orte der Suche nach Ursprung und Wahrheit. Mit Abnahme der höfischen Bautätigkeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist nach 1850 eine deutliche Zunahme an Grotten des wohlhabenden Großbürgertums zu verzeichnen. Hier wurde sowohl der Gelehrte als auch der Industrielle aus privaten oder unternehmerischen Beweggründen zum Auftraggeber. Parallel zur bürgerlichen Aneignung von Grotten wurden auch Kommunal- und Gewerbeobjekte Teil der zweiten Hochphase. Initiierende Gedanken konnten sich neben einer rein kommerziellen Ausrichtung u. a. aus botanischen, zoologischen oder pädagogisch-naturwissenschaftlichen Gründen, aus sozial-stadtplanerischen Anforderungen sowie aus dem Willen der Manifestation religiöser Werte entwickeln. Das breite Nutzungsspektrum, gepaart mit der stark erweiterten Auftraggeberschaft und werktechnischen Neuerungen, führte zum Massenphänomen Grotte um 1900.
Die ursprünglich mythologischen Bedeutungen von Grotten wandelten sich nach der symbolischen Verwendung antiker Ikonographie zu Barockzeiten mit Adaption des Bautypus durch Bürgertum, Kommunen und Gewerbetreibende zunehmend in profane Themen. Trotz dieser Entmystifizierung blieben unterschwellig die Assoziationen zum Geheimnisvollen und Übersinnlichen bis in die heutige Zeit erhalten. Die These, dass es trotz des südeuropäischen Ursprungs und der dortigen Blütezeit auch für Berlin/Brandenburg möglich ist, anhand hiesiger Objekte eine umfassende, kunsthistorische Darstellung des Grottenbaus erarbeiten zu können, wurde mit vorliegende Ausarbeitung bestätigt. Erstmalig ergibt sich für die untersuchte Region Berlin/Brandenburg ein Gesamtbild von der zeitlich versetzten Adaption des Bautypus Grotte durch unterschiedliche Bevölkerungsschichten vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Gegenwart.
Aktualisiert: 2020-09-14
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